Page 8 - Die Seuche
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5. Herrenlose Stadt
Die geballte Faust des Zwerges schlug auf die Tischplatte aus kalten Marmor auf. Sofort
kehrte Ruhe im Raum ein, das wilde Durcheinander wich einer stillen Anspannung. “Also”,
setzte Hem Graugrund erneut an. “An Ratsmitglieder fehlen Osbarn und Reinhold”, er
schwieg und blickte jedem Anwesenden einmal in das Gesicht auf der Suche nach Schuld,
Angst, Verrat. “Wo sind sie?”, fragte er mit zusammengebissenen Zähnen in die Runde.
Schweigen. Der gedrungene alte Zwerg am Ende der Tafel, an dessen Hals eine goldene
Münze mit eingestanztem Kristall hing, meldete sich räuspernd zu Wort. “Er hat die äußerste
Stadtmauer passiert. Osttor.”
“Und warum ist der Schatzmeister darüber informiert und ich nicht?”, Hems Augen
durchbohrte den Alten, welcher stoisch den Blick erwiderte bis er endlich zu sprechen
begann. “Weil eine nicht unerhebliche Summe an Dukaten verschwunden ist. Der letzte, der
Zugang zur Schatzkammer erhielt, unter meiner Aufsicht natürlich, war Osbarn. Und Eure
Wenigkeit.” Eine rote Augenbraue des obersten Wächters wurde angehoben. “Ich setzte
also ein paar Täubchen an, seinen Arsch nicht mehr aus den Augen zu lassen.” “Serkis, wie
konnte eine nicht unerhebliche Summe vor Euren Augen verschwinden? Ich habe Euch
nicht für dermaßen inkompetent gehalten.” Der alte Zwerg schnaubte, ersparte sich aber ein
Kommentar und schluckte seinen Ärger hinunter. Die Tigerrrytarerin Arsene öffnete
inzwischen einen Umschlag und schob einen Zettel über den Tisch, so dass alle einen Blick
darauf werfen konnten. Eine Zeichnung nahm das ganze Blatt ein, ein dreiköpfiger Löwe saß
auf einem Berg aus Leichen.
“Das ist mal was anderes als beschmierte Wände”, warf der Elf Nerron Lothringen mit einem
anerkennenden Pfiff ein. Arsene tippte auf die blutbeschutzten Mäuler der grünäugigen