Page 35 - Protect-it_Ausgabe_59_2021
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          CHINAS ÜBERSEE-AMBITIONEN                           den Entwicklungsländern enorm auszahlen wird.
          Chinas Streben nach Übernahmen in den USA wird heute   In Afrika beispielsweise sind Chinas  wirtschaftliche, kom-
          durch den dortigen Protektionismus stark eingeschränkt, was   merzielle und politische Beziehungen zu Simbabwe, Angola,
          auch für weite Teile Europas gilt. Der deutlichere Trend sind   Sudan, Südafrika und Nigeria in den letzten Jahren rasant
          jedoch Chinas zunehmende Investitionen in anderen Län-  gewachsen. China  importiert inzwischen etwa ein  Viertel
          dern, insbesondere in den Entwicklungsländern: Asien, naher   seines Öls aus dem Sudan, Nigeria und Angola. Staatliche
          Osten, Lateinamerika und Afrika.                    und private chinesische Unternehmen haben in eine Vielzahl
          Drei offensichtliche Ziele liegen den chinesischen Auslandsin-  afrikanischer Unternehmen in den Bereichen Textilien, Tele-
          vestitionen zugrunde:                               kommunikation, Hotellerie und Tourismus sowie Bau und
          • Sicherung der Versorgung mit Ressourcen wie Öl und Roh-  Maschinenbau investiert.
          stoffen;
          • Erschliessen neuer Märkte (häufig durch den Erwerb lokaler  RENAISSANCE EINER NATION
          Marken und Vertriebsnetze);                         Natürlich überraschen alle fünf dieser Trends nur deshalb,
          • Erwerben von neuen Fähigkeiten und technologischer Kom-  weil sie oft nicht zu sehen sind. Die Kräfte, die sie schaffen,
          petenz.                                             sind so stark und unwiderstehlich, dass die Ergebnisse kaum
          Aber auch die ausländischen Investitionsinitiativen des Lan-  in Zweifel gezogen werden. Dennoch werden sie wahrschein-
          des haben eine überraschende  Wirkung: China spielt eine   lich viele Geschäftsleute ausserhalb Chinas hart treffen, da
          Schlüsselrolle, ob absichtlich oder nicht, bei der Beschleuni-  diese immer noch mit einem mehr oder weniger isolierten,
          gung des Wachstums und der Industrialisierung der Entwick-  unflexiblen, nach innen gerichteten Land rechnen.
          lungsländer. Dies geschieht nicht durch grosse Investitionen   Die klügsten Führungskräfte, die aus verschiedenen Teilen
          im Stile der Weltbank, sondern durch private Investitionen,   der  Welt nach China kommen, zeigen jedoch die Bereit-
          die mit dem gleich schnellen Tempo, mit Experimenten und   schaft, gegen den Rest der Welt anzutreten, um China zum
          Pragmatismus durchgeführt werden, die in China so weit ver-  Erfolg zu führen: mit engagiertem Unternehmergeist, unge-
          breitet sind.                                       hindertem Experimentieren, Schnelligkeit, Offenheit gegen-
          Ein Teil dieser Investitionen stellt eine Art „Soft Power“ des   über Führungsimpulsen und Allianzen von aussen und der
          neuen Chinas dar. Aber vieles davon ist einfach die natürliche   gezielten Aufmerksamkeit für aufstrebende Märkte. Auf diese
          Folge eines ungehinderten Unternehmertums. Statt handels-  Weise hat diese neue Generation von Unternehmern auch
          merkbarer Konkurrenz zu Europa und Amerika, verfolgen die   dazu beigetragen, die neue chinesische Unternehmenskultur
          chinesischen Kapitalisten ein viel grösseres Ziel: Sie werden   zu schaffen. Letztendlich steht China nicht vor dem Heraus-
          zum Anbieter der ersten Wahl für den neuen Mittelstand Af-  forderung Schwäche durch Dominanz abzulösen, sondern
          rikas, Asiens und Lateinamerikas. Sie setzen bewusst darauf,   vor etwas ganz anderem: seiner ersten Chance auf eine echte
          dass sich die Erhöhung des Lebensstandards der Menschen in   Renaissance seit mehr als 100 Jahren.

          Trotz der viel grösseren Bevölkerung gibt es in China weniger
          arme Menschen als in den USA.






































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