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Auch werde so der Beifang von Haien, Delphinen oder Meeresschildkröten nahezu
ausgeschlossen. „Deshalb halte ich den Fang, die lokale Verarbeitung und den
Konsum dieses Thunfischs von hier ökologisch für verträglich.“
Es ist Mitte Juli, als sich die Schwäbin Ursula Wagner und der britische Unternehmer
Redfern in Horta auf der Azoreninsel Faial treffen. Ort: eine Fischereikooperative.
Es wird diskutiert, begutachtet, geschaut. Wagner schlendert am Hafen herum,
betrachtet eine im Wasser dümpelnde gefährliche Quallenart und schließt
Freundschaft mit einem lokalen Fischer, mit dem sie sich mit den Händen
verständigt. Daneben Redfern, sportlich, eher der Outdoor- als der
Indoor-Manager-Typ. Hochkonzentriert, neugierig, prüfend. Schließlich bezieht
er von dieser Genossenschaft seine Fische, die dann wiederum in Dosen und
Gläsern an Frau Wagner nach Schwaben verkauft werden.
Ganz schön viel Aufwand für einen Thunfisch, könnte man sagen. Andererseits:
Thunfische sind eben doch keine Bio-Karotten und auch keine Tomaten, die man
einfach mal so biologisch korrekt und nachhaltig anbauen kann, egal ob in der
Toskana, auf einem bayerischen Bauernhof oder einem Balkon in Berlin-Kreuzberg.
Die Sache mit dem Thunfisch ist weitaus komplexer, und das fängt schon damit an,
dass es den Thunfisch gar nicht gibt. Wie Geflügel für Huhn, Ente, Gans oder sogar
Tauben steht, ist auch der Thunfisch-Betriff eine Sammelbezeichnung.
Dazu kommt: Meeresfische gehören zu den wenigen Produkten, bei denen sich der
Mensch massiv in einem Milliarden Jahre alten Biotop bedient, und das ging ja auch
lange gut. Thunfisch jagten unsere Vorfahren schon vor Tausenden Jahren,
Felsmalereien aus der Jungsteinzeit zeigen sie mit Reusen, Netzen, Speeren und A
ngeln. Es wurde gegessen, was gefischt wurde, und gefischt, was man zum
Leben brauchte, alles überschaubar also. Hardcore-Bios gab es so gesehen früher
auch schon.
Das Geheimnis des „Echten Bonito“
Mitte des vergangenen Jahrhunderts aber begann der Raubbau, eine Art
organisiert-industrieller Feldzug gegen den Thunfisch. Nach wenigen Jahrzehnten
sind seine Bestände dermaßen überfischt, dass sich die Tiere gar nicht mehr so
schnell fortpflanzen können, wie sie weggegessen werden. „Meine Kunden wissen
viel über den Zustand des Meeres“, sagt Wagner, also sie an diesem Sommertag auf
der Azoren-Insel Faial steht. Und sie wirkt dabei sehr ernst.