Page 35 - Der Darwinismus als soziale Waffe
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Harun Yahya






                 Ein weiterer glühender Anhänger des Darwinismus war der legendäre Unternehmer John D. Rockefeller, der
             unter anderem sagte: “Wenn eine Firma groß wird, ist das nur das Überleben des Stärkeren ... die Wirkung eines
             Naturgesetzes ...“ 31
                 Am deutlichsten zeigte sich der Einfluss des Darwinismus auf das Wirtschaftsleben während der
             Amerikareise von Herbert Spencer, die Richard Hofstadter in Social Darwinism in American Thought wie folgt
             beschreibt:

                 “Obwohl sich die Wertschätzung der anwesenden Gäste für die Äußerungen Spencers während des Banketts eher
                 in Grenzen hielt, wurde doch klar, wie populär seine Gedanken schon damals in den USA waren. Als Spencer am
                 Kai auf sein Schiff zurück nach Großbritannien wartete, ergriff er die Hände Carnegies und Youmans und rief den
                 Reportern zu: “Das sind meine beiden besten amerikanischen Freunde!“ Für Spencer war dies eine eher
                 ungewöhnliche menschliche Geste, aber sie wirkte wie ein Symbol für die enge Verbindung der neuen darwinis-
                 tischen Wissenschaft mit der amerikanischen Geschäftswelt.“     32

                 Der Grund, weshalb viele Kapitalisten so begierig das Gedankengut des Darwinismus aufgriffen, war, dass
             dadurch die Reichen von ihrer Verantwortung für die Armen freigesprochen waren. In Gesellschaften hingegen,

             in denen moralische Werte gelten, wird von den Reichen erwartet, dass sie den Armen und Bedürftigen helfen -
             was der Sozialdarwinismus verneint. Der Wissenschaftsautor Isaac Asimov schreibt über die Gnadenlosigkeit des
             Sozialdarwinismus in seinem Buch The Golden Door: The United States from 1876 to 1918 (Das goldene Tor: Die
             Vereinigten Staaten von 1876 bis 1918) folgendes:

                 Spencer prägte den Terminus vom “Überleben des Stärkeren“ und behauptete im Jahr 1884, Menschen ohne
                 Arbeit seien nur eine Last für die Gesellschaft, und man solle sie deshalb lieber sterben lassen, als sie zu Objekten
                 von Hilfe und Mildtätigkeit zu machen. So vorzugehen, würde alles Schwache am Baum der Gesellschaft aus-
                 merzen und die Rasse stärken. Es war eine grauenhafte Philosophie, aber gut geeignet, alle Schandtaten der
                 Reichen und Mächtigen zu rechtfertigen.    33

                 Die Karten waren damals klar verteilt: Die Vertreter des Raubtierkapitalismus unterstützten den
             Darwinismus, und die Verfechter des Darwinismus unterstützten den Raubtierkapitalismus. Der berüchtigte
             Sozialdarwinist William Graham Sumner ging so weit, zu behaupten, Millionäre seien “die Stärksten“ einer
             Gesellschaft, woraus er folgerte, sie müssten innerhalb der Gesellschaft entsprechende Privilegien genießen dür-
             fen. Schließlich wären sie das Resultat der “natürlichen Selektion innerhalb der Konkurrenz“.         34  In einem Artikel
             zum Thema Sozialdarwinismus in The Humanist schreibt der Philosophieprofessor Stephen Asma über die
             Beziehung zwischen Spencer und den damaligen Kapitalisten:

                 “Es war Spencer, der den Terminus vom Überleben des Stärkeren prägte, den Darwin dann später in weiteren
                 Ausgaben von  Der Ursprung der Arten verwendete. Spencer und seinen amerikanischen  Anhängern -
                 wirtschaftliche Unternehmer wie John D. Rockefeller und Andrew Carnegie - waren der Überzeugung, dass die

                 gesellschaftliche Hierarchie den unveränderlichen universellen Naturgesetzen entspreche. Und denen zufolge
                 überlebt nur der Starke, während der Schwache untergeht. So waren die ökonomischen und Sozialstrukturen, die
                 überleben, "stärker" und besser, und jene Strukturen, die nicht stark genug waren, wurden offensichtlich unterge-
                 gangen.“  35
                 Doch das Prinzip jeder gesellschaftlichen Entwicklung ist die Bewahrung geistiger und moralischer Werte. In

             Gesellschaften, in denen der Geist der Kooperation und Solidarität stark ist und die Menschen einander mit
             Achtung und  Anteilnahme begegnen, können wirtschaftliche Probleme jederzeit im Geist der
             Zusammengehörigkeit gelöst werden. Es kann keinen wirtschaftlichen Fortschritt geben in einer Gesellschaft, in
             der sich menschliche Beziehungen zersetzt haben, es den Menschen an Anteilnahme und Verständnis mangelt,
             und jeder den anderen als Konkurrenten betrachtet. Es muss anders herum gehen: Alle Mitglieder einer
             Gesellschaft müssen an Problemlösungen mitarbeiten, die allgemeines Wohlbefinden und eine Steigerung der
             Lebensqualität bewirken und so ein gesellschaftliches Klima schaffen, in dem es nicht nur wirtschaftliche, son-

             dern auch soziale Sicherheit gibt. Das ist nur möglich, wenn religiöse, moralische Werte weiterhin Gültigkeit
             haben. Wie die neuere Geschichte gezeigt hat, können keine andere Gesellschaftsordnung und keine Ideologie
             dies gewährleisten.










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