Page 86 - Der Darwinismus als soziale Waffe
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fenden Personen sterilisiert oder unter lebenslange staatliche Aufsicht gestellt werden sollen. Es dauerte jedoch
einige Zeit, bis man feststellen musste, dass die Ergebnisse dieser Intelligenztests unzuverlässig waren. Dies war
nichts anderes als Ausdruck der mangelhaften wissenschaftlichen Methodik der damaligen Zeit. Faktoren wie
Sozialisation und Ausbildung der Probanden wurden schlicht vernachlässigt. Untersucht wurde nur die direkt
abfragbare intellektuelle Leistung. Jedenfalls waren die Ergebnisse dieser Methoden völlig unzureichend, verhin-
derten aber nicht, dass Arme, Kranke und Schwarze als minderwertig und unterlegen qualifiziert wurden.
Eugenik in den USA
Nach dem Tod Galtons verlagerte sich das Zentrum der Eugeniker in die USA. Die bekanntesten Erben Galtons
wurden Henry Goddard, Henry Fairfield Osborn, Harry Laughlin und Madison Grant.
Ganz oben auf der Liste der Eugenik-Unterstützer in den USA standen das Rockefeller Institute und die
Carnegie Foundation. Das Rockefeller Institute finanzierte wiederum das Kaiser-Wilhelm-Institut, das in
Deutschland federführend in der Eugenik-Forschung war und 1920 sogar ein eigenes Gebäude für die
Forschungsarbeit von Professor Ernst Rüdin baute, einem besonders hartnäckigen Anhänger der Rassenhygiene.
Auch das Mental Hygiene Movement in den USA wurde finanziell massiv vom Rockefeller Institute unterstützt.
Selbst der Nobelpreisträger Alexis Carrel am Rockefeller Institute applaudierte erfreut zu den Schandtaten der
deutschen Eugeniker und hatte keine Einwände gegen die Massenmorde an Geisteskranken und
Gefängnisinsassen. 114
Der Einfluss der Eugeniker führte zur Verabschiedung von Zwangssterilisationsgesetzen in einer ganzen Reihe
amerikanischer Bundesstaaten. Insgesamt 100.000 Menschen wurden, meist gegen ihren eigenen Willen,
zwangssterilisiert. Dafür möge ein Beispiel genügen: Anfang des 20. Jahrhunderts wurden allein im Bundesstaat
Virginia 8000 “ungeeignete“ Personen zwangssterilisiert. In manchen Bundesstaaten wurde die Zwangssterilisation
bis 1974 praktiziert. 115
Einer der führenden amerikanischen Eugeniker war Charles B. Davenport, bekannt als Verfasser von Artikeln,
in denen die Verbindung von Darwinismus mit Genforschung propagiert wurde. Doch seine darin formulierten
Forderungen stützten sich nur auf neue unhaltbare Thesen. 1906 beharrte er, dass die American Breeders'
Association Untersuchungen über Eugenik durchführte. gründete er das Eugenics Record Office (ERO), das bis zu
13-29 % seines Budgets bereitstellte für die “Station for Experimental Evolution“ (Station für experimentielle
Evolution). Diese Einrichtung war damit finanziell wesentlich besser ausgestattet als so manch andere
Forschungseinrichtung dieser Zeit. Es bildete eine ganze Reihe von
Propagandisten für die Eugenik aus. Seine Studenten wurden zu Spezialisten
für die Durchführung und Bewertung von Intelligenztests, wie zum Beispiel
Stanford-Binet-Test, die in eugenischer Praxis häufig benutzt werden. 116
Die Studenten am ERO waren auch damit beauftragt, in ihrem jeweiligen
Arbeitsfeld Statistiken anzulegen, mit deren Hilfe das ERO versuchte, seines
Erachtens nach zum Heiraten und Kinderzeugen ungeeignete Paare an der
Ehe zu hindern. 1924 legte das ERO eine Sterilisationsentwurf vor, in dem
vorgeschlagen wurde, Menschen zu sterilisieren, die verdächtig waren, krank
zu sein.
Vor Vernunft und Gewissen ist es nicht zu verantworten, Menschen gegen
ihren Willen zu sterilisieren. Menschen mit Erbschäden, Krankheiten und kör-
perlichen und geistigen Behinderungen müssen Zuneigung und Mitleid ent-
gegengebracht werden. In Gesellschaften, in denen religiöse, moralische
Werte gelten, werden solche Menschen geschützt und ihre Bedürfnisse so gut
wie möglich befriedigt. Es ist Barbarei, Menschen zu zwangssterilisieren, nur
weil Eugeniker glauben, sie verfügten über “kriminelle Energie“. Man kann
ihnen helfen durch geeignete Kulturprogramme und sie zu nützlichen
Mitgliedern der Gesellschaft machen. Selbst bei Menschen, denen nur schwer
Die Universität von Heidelberg ehrte H. Laughlin, einen prominenten Eugeniker für
sein Werk über “Die Wissenschaft der Rassenhygiene“. Dieser Zeitungsausschnitt
zeigt den fraglichen Bericht.
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