Page 82 - Der Darwinismus als soziale Waffe
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SOZIALDARWINISTISCHE STERILISATIONS- UND

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                           ine weitere auf den Sozialdarwinismus zurückgehende Praxis war die Eugenik, eine sogenannte
                           Wissenschaft, die mit Züchtungsmethoden “bessere“ Menschen erzeugen wollte. Der Begriff wurde 1883 er-
                  E stmals verwendet von Darwins Vetter Francis Galton und ist eine Zusammensetzung der griechischen
                  Wörter “eu“ (gut) und “genet“ (Geburt). Zusammengeschrieben, bedeutet das so entstandene Wort etwa
                  “Gutgeburt“ oder “genetisch gesund“. Doch im Gegensatz zu seiner linguistischen Bedeutung bedeutet es in der

                  Praxis barbarische Grausamkeit.
                       Die Verfechter der Eugenik behaupteten, dass ihre eigene Rasse oder Klasse geschützt und verbessert werden
                  müsse, wohingegen andere Rassen der “künstlichen Selektion“ unterworfen werden müssten. Laut Galton galt er-
                  steres aber nur für die britische Oberklasse. Deshalb trat er dafür ein, die Armen, Kranken, Schwachen und
                  Ungebildeten an der Vermehrung zu hindern.
                       Die Nazis behaupteten ihrerseits, alle nicht gesunden Arier seien eine Last für den Staat und müssten deshalb
                  durch Sterilisation oder Sterbehilfe eliminiert werden, und das setzten sie auch hemmungslos in die Tat um.
                  Einerseits wurden Hunderttausende im Rahmen ihrer Eugenik-Politik sterilisiert, andererseits wurden weitere
                  Hunderttausende getötet, weil sie krank, verkrüppelt, geistig behindert, alt, unausgebildet oder familienlos waren.

                  Entweder wurden sie in die Gaskammern geschickt, vergiftet oder man ließ sie einfach verhungern.
                       Die Verfechter der Eugenik gehen davon aus, dass die meisten Charaktermerkmale eines Menschen vererbt wer-
                  den. Das gilt ihrer - vor allem Galtons - Meinung nach auch für unerwünschte “Charaktereigenschaften“ wie
                  Faulheit und Armut. Unter der Annahme, dass faule Eltern auch faule Kinder zeugen, versuchten sie zunächst,
                  entsprechende Männer und Frauen an der Heirat zu hindern.
                       Die auf den Darwinismus zurückgehende Eugenik verursachte unendlich viel Leid. Wenn man ihre
                  Entwicklung betrachtet, versteht man besser, auf welch unhaltbaren theoretischen Voraussetzungen sie beruhte.

                  Deshalb muss man untersuchen, welche Haltung Darwin selbst dazu einnahm. Vorweg sei gesagt: Er hat sie er-
                  mutigt und unterstützt. Die Ursprünge der Eugenik reichen zurück bis zu Platons Politeia (Der Staat), aber erst durch
                  den Darwinismus bekam sie ihren wissenschaftlichen Anstrich und galt als eigene Wissenschaftsdisziplin. Karl
                  Pearson, über dessen Rassismus wir schon gesprochen haben, war stark von Galton beeinflusst und machte keinen
                  Hehl daraus, dass die Eugenik undenkbar sei ohne die Evolutionstheorie Darwins:

                       Die moderne Eugenik ist im 19. Jahrhundert entstanden. Das wachsende Interesse an der Eugenik in diesem
                       Jahrhundert hat verschiedene Wurzeln. Die wichtigste war dabei die Evolutionstheorie, denn Francis Galtons
                       Vorstellungen von Eugenik - er hat den Begriff geprägt - war eine logische Weiterentwicklung der Theorie seines
                       Vetters Charles Darwin.  103









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