Page 88 - Der Darwinismus als soziale Waffe
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Die American Eugenics
Association gab
Unterricht auf
staatlichen Messen und
hielt Wettbewerbe ab,
bei denen die
“tauglichste“ Familie
gewählt wurde.
mengten sich in unterschiedlichem Maß...“ 118
Dr. Robert Youngson, Wissenschaftshistoriker, kommt zum Ergebnis, dass der Eugenik-Gedanke, obwohl ein
eminenter wissenschaftlicher Fehler, die geistige Grundlage der Nazimorde war:
“Der tragisch-grauenvolle Höhepunkt der Eugenik war zweifellos Adolf Hitlers Versuch, eine “Herrenrasse“ zu
schaffen durch Ehen zwischen Menschen aus der arischen Rasse einerseits, und der Ermordung von sechs Millionen
anderer Menschen mit angeblich minderwertigem Erbgut andererseits. Es wäre unfair, Galton den Holocaust anzu-
lasten oder die Konsequenzen, die sich aus seiner völlig falschen Theorie später ergaben. Aber zumindest war er der
Architekt der Eugenik, jener Idee, von der Hitler so besessen war. In diesem Sinn muss er allerdings als einer der
größten wissenschaftlichen Blender aller Zeiten gelten.“ 119
Galtons irrationale und unwissenschaftliche Anschauungen lediglich als wissenschaftliches Blendwerk zu beze-
ichnen, ist allerdings eine allzu wohlwollende Beurteilung. Denn immerhin waren Galtons Auffassungen und die
seiner Nachfolger die geistige Grundlage für vorher noch nie dagewesene Barbarei. Die unvorstellbaren
Katastrophen, die in der Übernahme der sozialdarwinistischen Ideen wurzelten, werden eine unvergessliche
Lektion dafür bleiben, was daraus entstehen kann.
Die Nazis machten das systematische Töten von “minderwertigen, behinderten, fehlerhaften und kranken“
Menschen zu einer Staatsphilosophie, weil solche Menschen angeblich die Reinheit der arischen Rasse
beschmutzten. In den Worten Hitlers:
“... Menschen zu verderben... Auf lange Sicht eliminiert die Natur alle ungesunden Elemente. Man mag abgestoßen
sein von diesem Naturgesetz, das von allen Lebewesen verlangt, sich gegenseitig zu verschlingen. Die Fliege wird
von der Libelle gefressen, die Libelle wiederum von einem Vogel, der seinerseits einem größerem Vogel zum Opfer
fällt ... Die Gesetze der Natur zu kennen, macht es uns möglich, ihnen zu gehorchen.“ 120
Hitlers unverzeihlicher Denkfehler bestand darin, zu behaupten, man könne Vorgänge, die in der Natur für ein
natürliches Gleichgewicht sorgen, auf die menschliche Gesellschaft übertragen. Wenn Tiere sich gegenseitig als
Beute betrachten, bedeutet das nicht, dass Menschen sich gegenüber ihren Mitmenschen ebenso verhalten dürfen.
Tiere haben kein Bewusstsein. Menschen hingegen verfügen nicht nur über ein Bewusstsein, sondern auch über ein
Gewissen. Deshalb können sie unterscheiden zwischen richtig und falsch, gut und schlecht, und sie besitzen
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