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Ein Rundgang                                     Ein introvertierter Turm                waren der Bank nur
                                                  in der Adamgasse

                                                                                                     Ursprünglich
                                                        Wir bestaunen noch kurz die wunder-
                                                  schönen altmodischen Steinböden, die vermut-
        mit Reminis-  Die Ersatzbankstelle        lich einem neuen Belag weichen werden, und   hat sie sich zusehends
                                                                                               zwei Stockwerke
                                                  eilen auch schon wieder zurück zu unserem
                                                                                            vorbehalten. Dann
                                                  markanten Sichtbetonturm in der Adamgasse,
                                                  den der Innsbrucker Architekt Walter Anton
            am Bozner Platz
                                                  Schwaighofer entworfen hat. Für die ihm un-
                                                                                                     ausgebreitet.
        zenzen  gang werden, oder, frei nach Peter Handke,   mittelbar nachfolgende Architektengeneration
                 Es soll eine Art Reminiszenzen-Rund-
                                                  war Schwaighofers Baustil, so hört man, freilich
                                                  weniger Vorbild als vielmehr Reibebaum.
            unserem aktuellen polarisierenden Literaturno-
                                                        Much Untertrifaller, der selbst unter
            belpreisträger: ein kurzer Abriss zum langen Ab-
                                                  tekten ein überaus erfolgreiches, europaweit
            schied. Thomas Wass kennt das Haus ja selbst   dem Firmenlabel Dietrich Untertrifaller Archi-
 Rund um das   schon seit 22 Jahren, das ist gut die Hälfte von   tätiges österreichisches Architekturbüro mit Sitz
 RLB-Bestands-  dessen Baulebenszeit. Denn eingeweiht und be-  in Bregenz und Wien sowie Niederlassungen in   Außen brutalistisch, innen divers
 gebäude    zogen wurde es 1970, also vor exakt 50 Jahren.   St. Gallen, Paris und München betreibt und als
            Unser Zahlenvorstand Reinhard Mayr könnte
                                                  typischer Vertreter der Vorarlberger Schule gilt,
 von Christine Frei  sogar noch weitere 18 Jahre an Erinnerungen   bringt es etwas diplomatischer und weniger   Dabei war das diesem sogenannten
            einbringen, aber wir haben nur eine Stunde   unverblümt auf den Punkt: Er beschreibt den   Brutalismus-Bau zugrunde liegende öko-
            Zeit, also sausen wir nun mit Thomas Wass und   Bau als extrem introvertiert mit ganz wenig   nomische Konzept dem jetzigen gar nicht so
 Eine Stunde hatten wir nur Zeit für   Much Untertrifaller erst mal zum sogenannten   Bezug nach außen. Selbst in den Obergeschos-  unähnlich. Denn auch damals waren neben
 34  unseren architektonischen Morgen-  Sautter-Haus am Bozner Platz, das ab Februar   sen bekomme man nicht wirklich mit, wo man   der Schalterhalle nur zwei Stockwerke für die   35
 spaziergang mit RLB-Vorstandsmitglied   2020 die Übergangs-Bankstelle der Adamgasse   gerade umgehe. „Damals setzte man andere   Bank reserviert, die anderen Geschosse wurden
 Thomas Wass und unserem Juryvor-  beherbergen wird.   Prioritäten, doch so würde heute niemand mehr   verkauft oder vermietet. So hatten sowohl das
 sitzenden Much Untertrifaller. Eine   Das Haus selbst steht ja ebenfalls in   bauen“, so Untertrifaller, der als Architekt auch   Olympische Komitee als auch das Deutsche
 Stunde, in der wir im Schnelldurchgang   einer besonderen Beziehung zur RLB, denn von   in Innsbruck eine wichtige kulturelle Landmark   Generalkonsulat, die Wintersport AG und das
 die Geschichte eines Gebäudes streiften,   der Firma Sautter hat die Bank einst ihre ersten   gesetzt hat. Sein Büro hat gemeinsam mit Erich   Handelshaus Elsner über lange Jahre ihren Sitz
 das es schon in wenigen Monaten so   Olivetti-Rechenmaschinen bezogen. Davor   Strolz den wohl größten Kulturbau der jüngeren   in der Adamgasse.
                                                                                              Die Bank, erzählt uns unser Chief Com-
                                                  Zeit in Innsbruck realisiert – das Haus der Musik.
            mussten die Zinsen händisch berechnet wer-
 nicht mehr geben wird.
            den. Die riesigen, fast quadratischen Fenster hin                           pliance Offi cer Markus Schlenck – er ist der Sohn
            zum Bozner Platz stechen schon von Weitem                                   von Langzeit-Generaldirektor Günther Schlenck,
            ins Auge, und Much Untertrifaller meint: „Was                               also jenes Mannes, der den Bau damals be-
            für ein Glücksfall, dass ihr in unmittelbarer Nähe                          auftragt hat –, habe sich dann zusehends über
            so ein Ladenlokal gefunden habt.“ Thomas Wass                               alle Stockwerke ausgebreitet. Und zwar zuerst
            nickt zustimmend.                                                           mit der rasant wachsenden IT, die damals noch
                                                                                        EDV hieß, bis sie schließlich weiter südlich in
 Es ist Dienstag, 4. Juni, 7 Uhr. Ein besonderer Tag für die                            der Adamgasse mit dem Rechenzentrum ihr
 Vorstände der RLB wie für das gesamte RAIQA-Team. Denn in                              eigenes Gebäude bekam, und später dann mit
 Kürze beginnt die Jurysitzung, bei der die nachgebesserten Ent-  RLB-Vorstandsmitglied Thomas Wass und Juryvorsitzender Much Untertrifaller   Abteilungen, die sich nicht zuletzt aufgrund
 würfe der beiden Wettbewerbsfi nalisten – Pichler & Traupmann   bei ihrem Streifzug durchs Bestandsgebäude.  der zunehmenden Regulatorik-Bestimmungen
 und die Innsbrucker Architektin Iris Reiter – präsentiert und be-                      neu formieren mussten. Wann immer ein Stock
 wertet werden sollen. Das ganze Haus ist irgendwie in Hochspan-  „Damals setzte man    neu bezogen wurde, habe man umgebaut,
 nung. In wenigen Stunden, davon gehen wir zu diesem Zeitpunkt   andere Prioritäten, doch   weiß Schlenck – und das jedes Mal anders. Das
 noch ganz optimistisch aus, werden wir wissen, wer das Rennen   den Vorsitzenden unserer Jury, Much Untertrifaller, gemeinsam   so würde heute niemand   erkläre auch die architektonische Diversität der
 gemacht hat und wie das neue RAIQA aussehen wird. Dass es an   mit unserem Vorstand Thomas Wass zu einem architektonischen   mehr bauen.“  einzelnen Stockwerke.
 diesem Tag noch keine defi nitive Entscheidung geben wird, ahnt   Morgenspaziergang quer durch unser bestehendes Gebäude und   Foto: Franz Oss
 keiner. Wir sind jedenfalls voll im Flow, nutzen die Zeit und laden   hinüber zur künftigen Ersatzbankstelle am Bozner Platz ein.   Much Untertrifaller
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