Page 121 - Geschichte des Kostüms
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                                               FRANKREICH


                                                     1700-1720






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                     Im Gegensatz zu den vorhergehenden Tafeln,          die  zumeist  die große Mode
              zeigen, handelt es sich hier um zwanglosere Typen.        Die Haustracht machte es sich
              allgemein bequem. Aber auch auf der Straße, Promenade und bei einfachen Besuchen
              ging man ,,chiffone" und machte        daraus nun auch wieder Gebiete der Mode für
              sich, wenn auch im Einklang mit der zeremoniellen. — Die Damen befreien sich nun
              auch im großen Kostüm allmählich von der Fontange,          gegen die Ludwig XIV.      sich
              erstmals 1691 gewandt     hatte und   sich  17 14 noch wirksamer     aussprach.   Vielfach
              bleibt eine kleine Bändergarnitur auf dem Kopfe nach, der Keim der künftigen Hauben
              und Coiffüren. — Die Perücke der Männer löst sich auf und der obere Kopf wird
              nur noch flach vom Haar bedeckt.        Aber der Bart bleibt noch für länger vergessen
              und abgetan.    Zum Degen gesellt sich ein handlicher, gewerblich hergestellter Stock,
              und besonders die nicht zum Degen berechtigten Bürger gewöhnen            sich an diesen.
              Das  alte W^ams,   die Weste,   gibt die zwecklos gewordenen Ärmel auf;        die Schöße
              des langen Überrocks sind noch ohne Steifung, die sich erst       seit etwa 1723  zeigt.
                     In der Frauenkleidung kommt zwischen         17 10 und 1720 mehr und mehr        die
              Contouche auf, ein Überwurf mit weiten, ellbogenlangen Ärmeln, über der Brust zum
              Zuschleifen, also ein Mittelding von Kleid und Mantel, das aus den unteren Schichten
              stammt und modefähig       wird.   Der Ausdruck Contouche       ist auch  in  ausländische
              Moden übergegangen und namentlich im Polnischen festgeworden, als die Kontusch der
              Nationaltracht, ein feines, prächtiges Obergewand.      In Frankreich hat die Beliebtheit
              des neuen Kostümstücks zu weiteren Variationen geführt, man schlägt die Ärmel am
              Ellbogen über den unteren um, man hakt die Contouche auf der Brust zu, anstatt sie
              zu binden,   schließt  sie mehr oder minder      fest an  das Kleid an und     gibt ihr so
              doch wieder vorne eine Taillenform.       Eine häusliche kürzere Contouche erhält den
              hübschen Namen Pet-en-l'air. — Außer der Contouche werden im Chiffone dann
              noch verschiedene Jacken und Umhänge oder Tücher getragen.

                      Die Typen  i— 11 sind sämtlich Gemälden oder Zeichnungen Watteaus, der 172
              als Sechsunddreißigjähriger starb, entnommen.
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