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RECHT  URTEILE




           Überstunden dürfen vom


           Gericht geschätzt werden




           Ein Kraftfahrer hat auch dann Anspruch auf eine Vergütung für Mehrarbeit,
           wenn sie vertraglich nicht vereinbart ist und er nicht alle Zeiten belegen kann.        Oliver Berg/dpa/picture alliance


            st in einem Arbeitsvertrag von   deshalb ausgeschlossen, weil es da­  mitunter deutlich länger als verein­
           I„Vollzeitbeschäftigung“ die Rede,   für keine entsprechenden Regelun­  bart arbeiten müssen.
           dann ist damit eine regelmäßige    gen im Arbeitsvertrag gebe.  Als der Busfahrer (er verdiente   ©
           Arbeitszeit von 40 Wochenstunden   In dem verhandelten Fall ging   1800 Euro brutto pro Monat) die   Überstunden immer dokumentieren
           gemeint, wenn es darüber hinaus   es um einen im Linienverkehr täti­  Mehrarbeit vergütet haben wollte,
           keine ausdrückliche Bestimmung   gen Busfahrer. Konkrete Angaben,   kam es zum Streit, woraufhin der   prozessordnung). Herangezogen
           des Umfangs der Arbeitszeit gibt.  wie viele Stunden pro Tag oder Wo­  Mann vors Arbeitsgericht ging. Er   wurden die Einsatzpläne und die
              Bei einem Arbeitnehmer, der    che gearbeitet werden müssen,   konnte jedoch nicht jede Über­  vorgetragenen Angaben zum Um­
           dann mehr als 40 Wochenstunden   enthielt sein Arbeitsvertrag nicht.   stunde einzeln darlegen.  fang der Mehrarbeiten. Die zuge­
           leistet, fallen also Überstunden an.   Es gab lediglich eine Klausel, wo­  Das Gericht durfte in einem   wiesene Arbeit sei nicht ohne die
           Steht fest, dass der Arbeitgeber die­  nach es sich um eine „Vollzeitstelle“   solchen Fall den Mindestumfang   Leistung von Überstunden zu er­
           se veranlasst hat, der Mitarbeiter   handele. Vertraglich war der Mann   der geleisteten Überstunden unter   bringen gewesen, hieß es.  AG
           sie aber nur unzureichend nach­  zum Busfahren sowie unter ande­  Berücksichtigung einer Fünftage­
           weisen kann, muss dennoch be­  rem zur vorangehenden Abfahrts­  woche schätzen, entschied das   Bundesarbeitsgericht Erfurt
           zahlt werden, entschied das Bun­  kontrolle sowie nach Fahrtende zur   Bundesarbeitsgericht (Grundlage:   Urteil vom 25.3.2015
           desarbeitsgericht. Die Vergütung   Reinigung des Busses verpflichtet.   § 287 Abs. 2 in Verbindung. mit    Aktenzeichen: 5 AZR 602/13
           von Überstunden sei nicht allein   Durch die Zusatzaufgaben hatte er   Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 der Zivil­  www.bundesarbeitsgericht.de






                                                                                        in der britischen Grafschaft Kent statt. Dort hat­
           VERWALTUNGSRECHT                                                             te der Fahrer des beklagten (deutschen) Trans­
           Tschechischer Führerschein                                                   portunternehmers im August 2011 seinen Lkw
           gilt nicht in Deutschland                                                    samt dem verschlossenen Auflieger mit Koffer­
                                                                                        aufbau, der keinen Hinweis auf die Ladung
                                                                                        enthielt, abgestellt und sich schlafen gelegt.
           Eine tschechische Fahrerlaubnis berechtigt                                      Der Absender hatte den beauftragten Fracht­
           laut der Fahrerlaubnisverordnung nicht zum                                   führer aber im Vorfeld nicht mitgeteilt, dass es
           Führen von Kraftfahrzeugen in Deutschland,                                   sich um besonders wertvolle Textilien handelt.
           wenn dessen Inhaber dort zum Zeitpunkt der                                   Deshalb musste Letzterer nun auch nicht für den
           Ausstellung keinen ständigen Wohnsitz hatte.                                 Verlust des in seiner Obhut befindlichen Gutes
           Dies entschied jetzt das Verwaltungsgericht                                  aufkommen. Die gewichtsunabhängige Haftung
           Trier. Dieser Beschluss betraf einen Mann, dem                               gemäß Artikel 29 Absatz 1 des Übereinkom­
           1997 wegen einer Alkoholfahrt die deutsche                                   mens über den Beförderungsvertrag im interna­
           Fahrerlaubnis entzogen worden war und der                                    Jens Kalaene/ZB/picture alliance  tionalen Straßengüterverkehr (CMR) griff in
           seit 2006 mit tschechischem Führerschein                                     diesem Fall nicht.
           hierzulande als Lkw-Fahrer tätig war. Im Jahr    Den hohen Wert der Fracht kannte der Fahrer nicht  Denn hier habe sich der Frachtführer nicht
           2015 flog auf, dass der Führerscheintourist                                 ©  leichtfertig oder grob fahrlässig verhalten, ur­
           zum Zeitpunkt der Erstellung seiner neuen                                    teilte das Stuttgarter Oberlandesgericht. Dies
           Fahrerlaubnis keinen Wohnsitz in Tschechien   TRANSPORTRECHT                 wäre nur dann der Fall gewesen, wenn er ganz
           hatte. Daher wollte der Landkreis, in dem er                                 offensichtlich grundsätzlich erforderliche Siche­
           lebt, einen Sperrvermerk eintragen –  woge-  Frachtdiebstahl:                rungsmaßnahmen nicht ergriffen hätte. Der
           gen er sich wehrte. Ein Antrag auf Gewährung   keine Fahrlässigkeit          ausgewählte Parkplatz war aber belebt und ein
           von Eilrechtsschutz blieb ohne Erfolg: Dass er                               erhöhtes Diebstahlrisiko in dieser Gegend
           sich seit 2006 nichts zuschulden hatte kommen                                Großbritanniens war nicht gegeben. Zudem hat­
           lassen, nützte dem Lkw-Fahrer auch nicht.   Wenn der Absender den von ihm beauftragten   te es von außen an dem Lastwagen keinerlei
                                            AG    Transportunternehmer nicht über den beson­  Hinweise auf die Fracht gegeben, die die Lang­
                                                  deren Wert der Ladung informiert, kann er im   finger hätten anlocken können.    AG
           Verwaltungsgericht Trier               Fall eines Diebstahls keinen Schadensersatz von
           Urteil vom 29.2.2016                   ihm verlangen.                        Oberlandesgericht Stuttgart
           Aktenzeichen: 1 L 270/16                  In dem so entschiedenen Fall fand der    Urteil vom 25.2.2015
           www.vgtr.mjv.rlp.de                    Ladungsdiebstahl auf einem unbewachten und   Aktenzeichen 3 U 143/14
                                                  unbeleuchteten Parkplatz im Bereich der A 20   www.olg-stuttgart.de


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