Page 14 - Brot backen - wie es nur noch wenige können
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Bäuerliches Brot aus dem



                                       HOLZBACKOFEN





         Seit mehr als 20 Jahren beschäftige ich mich mit Brot. Es ist eine
       faszinierende Angelegenheit. Aber was kann so faszinierend sein an


                                         einer so einfachen Sache?



                                              VON ROSWITHA HUBER









  Vor  100  Jahren  war  das  Brotbacken  fest  im  Alltag  der  Bäuerinnen  verankert.  Es  war  eine
  selbstverständliche  Tätigkeit,  denn  die  Wege  bis  zum  nächsten  Bäcker  waren  in  entlegenen
  Berggegenden weit. Daher wurde das Brot nicht gekauft, sondern selbst gemacht. Je wohlhabender

  eine Region war, desto öfter buken die Bäuerinnen in den gemauerten Holz-öfen neben ihren Höfen
  und Almen oder im örtlichen Gemeindebackofen Sauerteigbrot.
     In  einer  Zeit,  in  der  es  darum  ging,  möglichst  viele  Menschen  von  einem  Laib  Brot  satt  zu
  bekommen,  machte  es  einen  großen  Unterschied,  ob  man  frisches  oder  altes  Brot  auf  den  Tisch
  brachte. Heutzutage kann sich keiner mehr vorstellen, steinhartes Brot zu essen. Das älteste Brot, das
  ich gesehen habe, fand ich im Wallis in der Schweiz. Bis in die 1950er-Jahre wurde dort in vielen
  hoch  gelegenen  Dörfern  nur  einmal  im  Jahr  Brot  gebacken.  Die  Gegend  ist  geprägt  von  kleinen
  Getreidefeldern und winzigen Ziegen- und Schafställen. In jedem Dorf gab es ein Backhaus, das jeden
  Winter nur einmal angeheizt wurde. Es wurde so lange der Reihe nach gebacken, bis jede Familie
  genug Brot für ein ganzes Jahr hatte.
     Gelagert wurden die Brotlaibe unter dem Dach, in Reihen aufgestellt. In den kalten Wintermonaten
  froren sie, dadurch hatte man mehr oder weniger frisches Brot. In den Sommermonaten trocknete es
  aus. Man musste das hart gewordene Brot mit einem Beil auseinanderschlagen. Wer Hunger hatte,

  nagte an den Brotbrocken oder weichte die Stücke in Milch auf. Dadurch, dass nur einmal pro Jahr
  gebacken  wurde,  haben  die  Bewohner  dieser  Schweizer  Dörfer  dreifach  gespart:  erstens  an
  Brennmaterial,  da  man  weniger  Holz  zum  Befeuern  brauchte,  wenn  der  Ofen  bereits  warm  war;
  zweitens  an  Arbeitszeit,  da  das  Backen  in  die  ruhigste  Jahreszeit  verlegt  wurde  und  dadurch  die
  Arbeitskraft im Sommer ohne Pause zur Verfügung stand; drittens am Brot selbst, da man weniger aß,
  wenn das Brot alt und hart war.
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