Page 15 - Brot backen - wie es nur noch wenige können
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Roswitha Huber beim Brotbacken auf der Kalchkendlalm im Raurisertal.

     Weil früher das Brot auch in unseren Gebirgsregionen lange halten musste, legten die Bäuerinnen
  großen Wert auf eine geschlossene, dicke Brotrinde. Denn Brot wird besonders dort, wo es aufbricht,
  trocken  und  beginnt  an  dieser  Stelle  leicht  zu  schimmeln.  Heutzutage  kann  sich  keiner  mehr
  vorstellen, dass noch nicht angeschnittenes Roggensauerteigbrot mit einer geschlossenen Rinde, das
  im heißen Holz-ofen gebacken wurde, in einem kühlen Raum mehrere Wochen haltbar ist. Das Brot
  bleibt sogar schnittfähig. Für viele gilt Brot, das ein oder zwei Tage alt ist, heute bereits als Altbrot.
     Brotrezepte  werden  oft  von  Generation  zu  Generation  weitervererbt.  Eine  der  ersten  Rauriser
  Bäuerinnen,  denen  ich  beim  Brotbacken  zuschauen  durfte,  war  die  Hohner-Bäuerin.  Sie  übernahm
  von  ihrer  Schwiegermutter  nicht  nur  genauestens  das  Rezept  samt  dazugehörigen  Schüsseln  und
  Backtrog,  sondern  auch  die  Uhrzeiten,  zu  denen  das  Brot  gebacken  wurde.  In  den  ländlichen

  Regionen machte ich die Beobachtung, dass das Brotbacken die letzte Arbeit am Bauernhof ist, die die
  Altbäuerin an ihre Nachfolgerin übergibt. Die Tochter oder Schwiegertochter übernimmt das Backen
  erst dann, wenn die Altbäuerin es nicht mehr kann.
     Warum heutzutage so viele Frauen und Männer wieder ihr eigenes Brot backen wollen? Nun, sie
  suchen oft einen Ausgleich zu ihrer beruflichen Tätigkeit, zu ihren Jobs im Büro, zu ihrer Kopfarbeit.
  Beim Brotbacken können sie endlich etwas mit ihren Händen machen und am Ende des Tages sehen
  und schmecken, was man da selbst geschaffen hat. Das fehlt in unserer Gesellschaft!
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