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Im Wald, dessen Bäume Blätter mannigfaltiger

                Farbe trugen, empfing mich ein kühler Hauch.
                Es war still hier um diese Stunde. Die wenigen
                Geräusche wurden vom Dunst verschluckt und
                erreichten gedämpft fast unwahr mein Ohr. Wie
                im Traum ging ich weiter, jeden Augenblick er-

                wartend, dass sagenumwobene Naturgeister aus
                den  Schatten  des  Unterholzes  schwebten.
                Manchmal, wenn der Wind leicht über die Wip-
                fel  streifte,  fielen  hellgrüne,  quittegelbe,  rote
                und braune Blätter herab. Auf den bunten Tep-

                pich der sich hier ausgebreitet hatte. Der graue
                Stamm  der  alten  Buche,  mit  den  eingeritzten
                Namen und Herzen, glänzte vor Nässe. Die Vö-
                gel  waren  verstummt.  Ob  all  die  Namen  noch
                lebten? Die Herzen noch füreinander schlugen?

                Was mochte aus ihnen geworden sein? Der Weg
                führte weiter, an all den Orten vorbei an denen
                ich im Sommer meiner Kindheit gespielt hatte.
                Konnte mir kaum noch vorstellen, wie der Wald

                vom  fröhlichen  Lärm  meiner  Gefährten  er-
                schallte.  Wo  waren  diese  Sommer  geblieben?
                Mit den Blüten, Farben und Formen. Durch den
                Wald  wehte  ein  angenehmer  erdiger  Moderge-
                ruch.  Pilze  schmückten  wie  Perlen  das  Ab-
                schiedsgewand  des  Sommers.  Doch  würde  be-

                stimmt  wieder  die  Zeit  kommen  in  der  die


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