Page 467 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Die Gründe für die Erhaltung der Cultur.     455

      immanent und   mit unseren Werthurtheilen  in Widerspruch;  denn
      manches, was  er  schützt, wie  z. B. die religiösen Systeme und  die
      übertriebenen Anschauungen von der Macht und Bedeutung des Staates,
      sind für das Bestehen der Gesellschaft und Cultur von der größten
      Bedeutung, ohne vor einer sachHchen Werthschätzung entsprechend
      bestehen zu können. Wir können zusammenfassend sagen: die ratio-
      nalen und idealen Kräfte bei der Erhaltung der Culturgüter   sind
      verhältnissmäßig von  so geringer Bedeutung, dass sie überhaupt an
      der Grenze ihrer Wirksamkeit stehen.  Der Mechanismus, den wir
      im Vorhergehenden aufzudecken versuchten, verdankt seine Stärke
      jedenfalls vorzüglich den subjectiven Factoren;  die objectiven Fac-
      toren dagegen verleihen ihm vorwiegend seinen Werth.  Darin, dass
      auf diese Weise die subjectiven Factoren in den Dienst der objectiven
      treten, dass  sie gleichsam ihrer Indifferenz enthoben werden,  Hegt
      gewiss vom   teleologischen Standpunkte  aus  eine  außerordentliche
      Zweckmäßigkeit des Apparates.   Aber  sie wird wieder sehr beein-
      trächtigt durch den geringen Raum, den überhaupt die    objectiven
      Factoren einnehmen.  Den inneren Werth einer jeden, insbesondere
      auch unserer Cultui^, der ja durch die Größe dieses Baumes wesent-
      Hch mitbestimmt wird, dürfen wir uns demgemäß nicht als zu hoch
      vorstellen, und in der That gehört es zu den Absichten der voran-
      gegangenen Betrachtung, vor einer übertrieben optimistischen Schätzung
      unseres Cultumiveaus zu warnen.
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