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Wie eingangs erwähnt, ist die Schweiz physisch stark ins europäische
Verbundnetz integriert. Bisher waren auch Stromimporte ausreichend verfügbar.
Doch die Rahmenbedingungen haben sich geändert:
Drohende Winterstromlücke: Im Winter ist die Schweiz stets auf Stromimporte
angewiesen. Viele neu installierte Wärmepumpen und die zunehmende
Elektromobilität verschärfen die Situation im Winter künftig noch. Zur Deckung
der drohenden Winterstromlücke kann die Schweiz nicht länger auf Importe aus
der EU setzen. Einerseits fehlt ein Stromabkommen mit der EU. Andererseits
steuern die meisten europäischen Länder – wegen der Stilllegung von
Kernkraftwerken und dem baldigen Ausstieg aus der Kohlekraft bei
fortschreitender Elektrifizierung – ebenfalls auf eine Winterstromlücke zu.
Erschwerte Stromzusammenarbeit mit der EU Mit dem Abbruch der
Verhandlungen über ein institutionelles Abkommen mit der EU ist auch ein
Stromabkommen in weite Ferne gerückt. Ohne Stromabkommen mit der EU kann
die Schweiz als Drittland weder bei der Festlegung der europäischen Strom-
Binnenmarkt-Regeln mitreden, noch kann sie in den Entscheid-Gremien der EU
Einsitz nehmen. Von den Strommarktmechanismen und Marktplattformen ist die
Schweiz zunehmend ausgeschlossen. Zudem müssen bis spätestens Ende 2025
alle europäischen Übertragungsnetzbetreiber mindestens 70 Prozent der
grenzüberschreitenden Kapazitäten für den Handel zwischen EU
Mitgliedstaaten freihalten. Aus Sicht der EUKommission dürfen unsere
Nachbarländer die Handelskapazitäten mit der Schweiz nicht zu den 70 Prozent
anrechnen. Damit droht die Gefahr, dass die Schweiz deutlich weniger Strom
importieren kann. Als Folge der Zunahme des Handels innerhalb der EU können
die ungeplanten Stromflüsse durch die Schweiz zunehmen und die Netzstabilität
gefährden. Schon heute spricht die Swissgrid – die Schweizer
Übertragungsnetzbetreiberin – von einem zunehmenden Systemstress durch
unkontrollierte Stromflüsse.
Schleppender Ausbau der Erneuerbaren: Seit der Volksabstimmung im Mai
2017 ist der geplante Ausstieg aus der Kernenergie und den Ausbau der
erneuerbaren Energien beschlossene Sache. Aber der Ausbau der Erneuerbaren
verläuft hierzulande nur schleppend. Obwohl die Schweiz die im Energiegesetz
für das Jahr 2020 verankerten Richtwerte für den Ausbau der Stromproduktion
aus erneuerbaren Energien erfüllt, ist eine Stärkung dieser Technologien –
insbesondere der Photovoltaik – dringender denn je, damit langfristig keine
Stromlücke droht.
Eine erst kürzlich publizierte Analyse im Auftrag des Bundes kommt zum Schluss:
Die Versorgungssicherheit der Schweiz ist dann gefährdet, wenn mit der EU
keine Lösung gefunden wird und auch die inländische Stromproduktion nicht
ausgebaut wird. Priorität habe der Abschluss von privatrechtlichen technischen