Page 156 - Der widerlegte Darwinismus
P. 156
DER WIDERLEGTE DARWINISMUS
durch eine Serie kleiner Veränderungen, wie Darwin angenommen hatte,
sondern durch plötzliche, große Sprünge (Makromutationen).
Diese Theorie war nichts anderes als eine modifizierte Form der
"Hopeful Monster" ("hoffnungsfrohes Ungeheuer")-Theorie, die der
deutsche Paläontologe Otto Schindelwolf in den 30er Jahren aufgestellt
hatte. Schindelwolf hatte die Auffassung vertreten, dass das Leben sich
nicht, wie der Neo-Darwinismus vorschlug, im Lauf der Zeit schrittweise
durch kleine Mutationen weiter entwickelte, sondern plötzlich durch sehr
große Mutationen. Als eines der Beispiele für seine Theorie behauptete
Schindelwolf, das der erste Vogel der Erdgeschichte durch eine große
Mutation aus einem Reptilienei entstanden sei, mit anderen Worten,
durch eine gigantische zufällige Veränderung seiner Genstruktur. 173 Nach
dieser Theorie hätten sich manche Landtiere durch eine umfassende
Veränderung plötzlich in Wale verwandelt. Diese phantastische Theorie
Schindelwolfs wurde von dem Genetiker Richard Goldschmidt von der
Universität Berkeley übernommen. Doch die Theorie war dermaßen
widersprüchlich, dass sie schnell wieder aufgegeben wurde.
Was Gould und Eldredge dazu brachte, die Theorie wieder zu bele-
ben, war die Tatsache, dass der Fossilienbestand sich nicht mit der dar-
winistischen Auffassung der Entwicklung durch kleine Veränderungen in
Einklang bringen ließ. Stagnation und plötzliches Auftreten waren empi-
risch so gut abgesichert, dass sie zu einer verfeinerten Version der
Hopeful-Monster-Theorie Zuflucht nehmen mussten, um die Situation
erklären zu können. Gould's berühmter Artikel "Return of the Hopeful
Monster" (Rückkehr des hoffnungsfrohen Ungeheuers) war Ausdruck dieses
offensichtlichen Rückschritts. 174
Gould und Eldredge wiederholten natürlich nicht einfach
Schindelwolfs phantastische Theorie. Um ihr einen wissenschaftlichen
Anstrich zu geben, versuchten sie, eine Art Mechanismus für die plötzli-
chen Evolutionssprünge zu erklären. Die interessante Bezeichnung "inter-
mittierendes Gleichgewicht" (punctuated equilibrium), den sie für die
Theorie wählten, zeigt die Bemühung, sie mit pseudowissenschaftlicher
Tünche zu versehen. In den folgenden Jahren wurde die Theorie von
anderen Paläontologen übernommen und weiterentwickelt. Doch die
Theorie des intermittierenden Gleichgewichts wies noch mehr
Widersprüche auf, als die neodarwinistische Evolutionstheorie.
154