Page 79 - Untergegangene VölkerDie Unvernunft der Gottlosigkeit
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Die moralischen Werte der Ignoranz 77
zwischen Lehrern und Schülern in den Schulen, zwischen
Arbeitgebern und Arbeitnehmern, sowie zwischen Angestellten
untereinander am Arbeitsplatz. Kraftfahrer beschimpfen sich
gegenseitig im Straßenverkehr. Es herrscht Zwiespalt unter
Nachbarn, Verwandten, kurz gesagt, zwischen all denen, die sozial
miteinander verbunden sind.
Meist haben diese Auseinandersetzungen lächerliche Gründe.
Selbst wenn es keinen Grund zu einer Debatte gibt, erfinden sie
einen. Ein Mann mag z.B. das Fehlen seiner Lieblingsspeise am
Mittagstisch als einen guten Grund für einen Streit mit seiner Frau
halten; eine Frau, die ihren Mann nicht zu einem Spaziergang über-
reden kann, mag darüber einen Streit beginnen. Jeder Augenblick
im Alltagsleben wird zu einer Quelle der Unruhe und Diskussion
für die ignoranten Leute – der Lärm, den die Nachbarn machen, ein
schreiendes Kind, ein bellender Hund, ein fremder Wagen auf dem
eigenen Privatparkplatz, lautes Hupen eines ungeduldigen
Verkehrsteilnehmers, kurz gesagt alles...
Diese Leute, die wegen jeder Kleinigkeit in Spannungen geraten,
finden ihre eigene Gereiztheit oder das Milieu, in dem sie leben,
völlig in Ordnung. Wenn sie zu viel Zeit mit einem anderen
Menschen verbringen, ist das manchmal Grund genug für
Auseinandersetzungen. Sie werden sich einander überdrüssig und
selbst gerechtfertigte Wünsche und Erwartungen des anderen
gehen ihnen auf die Nerven. Diese Beziehung wird im Lauf der Zeit
unerträglich. Interessant dabei ist, dass sie sich wohl bewusst sind,
dass eine Veränderung der Umstände und Beteiligten nichts an die-
ser Situation ändern würde. Wohin sie auch gehen und was sie auch
tun, Intoleranz bleibt immer ein Teil ihrer selbst.
Hier erhebt sich die Frage: Worauf ist diese Intoleranz begrün-
det?