Page 24 - Der Darwinismus als soziale Waffe
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quantitativ rapide ansteigende Wachstum der “Unterklasse“ die Stellung und Privilegien der ersteren gefährden
                  könnte. Diese Furcht war natürlich unbegründet  und nur das Ergebnis einer Selbsttäuschung. Denn erstens steht
                  außer Frage, dass jemand aufgrund seiner materiellen Situation, seines sozialen Status, seiner Sprache, Rasse oder
                  Geschlecht eine Überlegenheit gegenüber anderen Gesellschaftsmitgliedern haben kann. Gott hat alle Menschen
                  gleich geschaffen. Was den Menschen ihren Wert verleiht, sind deren moralische Tugenden und ihre Gottesfurcht,
                  die sie tagtäglich unter Beweis zu stellen haben. Sonst nichts.
                       Das hinderte jedoch die britische Upperclass im Gefolge der Französischen Revolution nicht daran, den

                  Malthusianismus ideologisch massiv zu fördern. Aus Furcht, ihre gesellschaftlichen Privilegien und ihre Macht zu
                  verlieren, schreckte sie vor nichts zurück, nicht einmal davor, offenen Rassismus zu praktizieren. Das ist nicht
                  weiter verwunderlich, wenn jemand freiwillig religiöse, moralische Werte einfach aufgibt. Die damals herrschende
                  Elite in England dachte einfach, die Zukunft ihrer Gesellschaft sei zu sichern, indem man Verhältnisse schaffte, in
                  denen es immer weniger Menschen immer besser und immer mehr Menschen immer schlechter ginge. Natürlich ist
                  es eine gute Sache, wenn der allgemeine Wohlstand einer Gesellschaft wächst. Es stellt sich allerdings die Frage
                  danach, wie das zu bewerkstelligen ist. Den Anteil der Wohlhabenden dadurch zu steigern, dass man die Armen
                               und Bedürftigen verhungern lässt oder abschlachtet - wie vom Sozialdarwinismus gefordert -  ist selb-
                                  stverständlich völlig unakzeptabel. Selbst wenn der  Anteil der Wohlhabenden steigt, ist das

                                             keineswegs hinreichend als Indikator für den Fortschritt einer Gesellschaft. Wenn nämlich
                                                all den Wohlhabenden Tugenden wie Ehrbewusstsein, Altruismus, Mäßigung, Geduld
                                                 und Toleranz fehlen, dann wird ihr wirtschaftliches Denken eher zum Schaden als zum
                                                 Vorteil einer Gesellschaft gereichen. Alle Pläne, die abzielen auf den Fortschritt einer
                                                 Gesellschaft, können ihr Ziel nur erreichen, wenn sie geistige Werte in Einklang bringen
                                                mit materiellem Fortschritt.
                                                     Aber zu Lebzeiten von Malthus war dies vielen Menschen nicht klar, und deshalb

                                                  übernahmen sie seine abstrusen Ansichten, die später ihre Gesellschaften in den
                                                      Zusammenbruch          führten.    Im     Folgenden      nennen      wir    einige    der
                                                        “Lösungsvorschläge“, die Malthus machte, um das Bevölkerungswachstum zu
                                                         stoppen:

                                                         “Statt den Armen Sauberkeit zu predigen, sollten wir sie zum Gegenteil animieren.
                                                         In unseren Städten sollten die Straßen noch enger gemacht, noch mehr dieser
                                                          Menschen in die Häuser gepfercht und eine Rückkehr von Seuchen gefördert wer-
                                                            den.  Auf dem Land sollten wir die Dörfer möglichst nahe an stehenden
                                                             Gewässern bauen und Siedlungen am besten in sumpfigen und unwirtlichen
                                                             Gegenden fördern. Vor allem jedoch sollten wir Heilmittel gegen
                                                            Seuchenkrankheiten nicht zulassen, die von gut meinenden Menschen entwick-
                                                             elt worden sind, weil sie irrtümlicherweise glauben, damit der Menschheit zu
                                                              nutzen.“ 8


                                                              Sogar das Töten von Neugeborenen hat Malthus vorgeschlagen:

                                                                               “... sind wir im Namen von Ehre und Gerechtigkeit dazu
                                                                                verpflichtet, den Armen jedes Recht auf Unterstützung zu
                                                                                                       verweigern. Zu diesem Zweck schlage
                                                                                                            ich eine Regelung vor, der zufolge
                                                                                                              kein neugeborenes Kind ein
                                                                                                                Recht auf kirchlichen Beistand
                                                                                                                 hat. Ein neugeborenes Kind




                                                                                                                                  Nach der irrigen
                                                                                                                                  Propaganda des
                                                                                                                         Sozialdarwinismus – eine
                                                                                                                           der erbarmungslosesten
                                                                                                                               Philosophien in der
                                                                                                                            Geschichte – muss der
                                                                                                                       Schwache und Hilflose dem
                                                                                                                          Tode überlassen werden.
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