Page 276 - Es war einmal der Darwinismus
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“Außenwelt” anders sein könnte, als die Welt, die wir durch unsere Sinne erfahren.
                          Moderne Forschung in vielen Wissenschaftsbereichen jedoch weist in Richtung auf ein neues und ganz anderes
                     Verständnis, das ernsthafte Zweifel über unsere Sinne und die Welt, die wir damit wahrnehmen, aufkommen läßt.
                          Der Ausgangspunkt dieses neuen Verständnisses: Was wir als die “Außenwelt” betrachten, sind nur die Auswir-
                     kungen, die elektrische Signale in unserem Gehirn verursachen. Die Farbe des Apfels, die Härte des Holzes, ja sogar
                     Mutter, Vater, die Familie, das Vermögen, das Haus, der Beruf und auch die Zeilen dieses Buches bestehen einzig

                     und allein aus elektrischen Signalen.
                          Frederick Vester erklärt dies so:
                          Die Äußerungen einiger Wissenschaftler, die vorschlagen, dass “der Mensch eine Bildgestalt sei, dass alles, was erlebt
                          wird, vorübergehend und illusorisch sei und dass dieses Universum ein Schatten sei”, erscheinen heutzutage durch die
                          Wissenschaft bestätigt worden zu sein. 191
                          Um dieses Thema klarer zu machen, wollen wir uns den Sinn des Sehens näher betrachten, der uns mit der
                     reichsten Information über die Umwelt versorgt.


                          Wie sehen, hören und schmecken wir?

                          Das Sehen funktioniert schrittweise. Beim Sehvorgang fallen Lichtstrahlen die von einem Objekt kommen, durch
                     die Augenlinse, durch die sie gebrochen werden. Sie treffen dann seitenverkehrt auf die Retina an der Hinterseite des

                     Auges. Die Sehreize, die hier von den Zellen in elektrische Signale umgewandelt werden, erreichen das Sehzentrum
                     an der Rückseite des Gehirns. Diese elektrischen Signale werden hier nach einigen Umwandlungen als ein Bild wahr-
                     genommen. Demnach findet der Vorgang des Sehens tatsächlich in einem kleinen Areal im hinteren Teil des Gehirns
                     statt, der vollständig vom Licht isoliert und daher völlig dunkel ist.
                          Betrachten wir dies noch einmal näher. Wenn wir sagen “wir sehen”, sehen wir tatsächlich den Effekt, den die
                     optischen Reize, die unser Auge erreichen, in unserem Gehirn verursachen. Das heißt; wenn wir sagen “wir sehen”,
                     betrachten wir eigentlich die elektrischen Signale in unserem Gehirn.
                          Jedes Bild, das wir im Laufe unseres Lebens sehen, wird in unserem Sehzentrum gebildet, das eine Größe von
                     nur einigen Kubikzentimetern hat. Die Zeilen dieses Buches, oder die grenzenlose Landschaft entstehen in diesem

                     winzigen Raum. Die Schädeldecke läßt kein Licht ins Gehirn. Das heißt, der innere Teil des Gehirns ist völlig dunkel.
                     Folglich ist es unmöglich, dass das Gehirn sich mit dem Licht in irgendeinem Zusammenhang befindet.
                          Ein Beispiel: Nehmen wir an, uns gegenüber steht eine brennende Kerze, die wir eingehend betrachten. Während
                     dieser Zeit hat unser Gehirn keinen direkten Kontakt mit dem ursprünglichen Licht der Kerze. Selbst wenn wir das
                     Licht der Kerze sehen, ist das Innere unseres Gehirns vollständig dunkel. Innerhalb unseres dunklen Gehirns sehen
                     wir uns eine helle, farbige Welt an.
                          R. L. Gregory stellt die wundersamen Aspekte des Sehvorgangs, den wir als ganz normal empfinden, so dar:

                          Wir haben uns dermaßen an das Sehen gewöhnt, dass große Phantasie von Nöten ist, um zu bemerken, dass es einige
                          Fragen gibt, die beantwortet werden müssen. Ich bitte Sie hier um Aufmerksamkeit. Die Augen liefern uns kleine, auf
                          dem Kopf stehende Bilder, und wir sehen die Gegenstände als feste Objekte in unserer Umgebung an. Als Folge der op-
                          tischen Reize auf der Retina nehmen wir die Welt der Objekte wahr, und das ist eigentlich ein Wunder. 192

                          Der gleiche Umstand trifft auch auf alle anderen Wahrnehmungen zu. Das Geräusch, der Tastreiz, der Ge-
                     schmack und der Geruch erreichen das Gehirn als elektrische Signale und werden in den betreffenden Zentren im
                     Gehirn wahrgenommen.
                          Der Hörvorgang funktioniert so: Das äußere Ohr sammelt die Schallwellen in der Umgebung mit Hilfe der Ohr-
                     muschel und übermittelt diese ins mittlere Ohr. Das mittlere Ohr verstärkt die Schallschwingungen und leitet sie in
                     das innere Ohr weiter. Das innere Ohr wandelt diese Schwingungen in elektrische Signale um und übermittelt diese
                     zum Gehirn. Analog zum Sehen findet auch das eigentliche Hören im Hörzentrum des Gehirns statt. Genauso wie
                     das Gehirn vom Licht isoliert ist, ist es auch vom Schall isoliert. Folglich ist es egal, ob es draußen laut ist; das Innere

                     des Gehirns ist vollständig leise.
                          Dennoch werden die Töne im Gehirn deutlich wahrgenommen. Dies geschieht mit einer derartigen Präzision,
                     dass das Ohr eines gesunden Menschen alles ohne irgendwelche atmosphärischen Nebengeräusche oder Störungen
                     hört. In unserem schallisolierten Gehirn hören wir der Sinfonie eines Orchesters zu, wir hören alle Geräusche eines
                     stark besuchten Ortes und können alles, vom Rauschen eines Blattes bis zum Lärm eines Flugzeuges innerhalb eines
                     weiten Frequenzbereiches wahrnehmen. Wenn man aber in diesem Augenblick das Schallniveau im Gehirn durch
                     ein empfindliches Gerät messen würde, fände man, dass dort völlige Stille herrscht.





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