Page 100 - Das Wunder des Samens
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98        DAS WUNDER DES SAMENS

                                                     In einem frischen Samen besteht
                                                     der Nährstoffvorrat aus einem re-
                                                     ichhaltigen feuchten Gel, das den
                                                     Embryo umhüllt. Wenn der Same
                                                     trocknet, härtet er in einen Zustand,
                                                     der ihm zu lagern erlaubt, auch der
                                                     Nährstoffvorrat verhärtet. Später,
                                                     wenn der Same befeuchtet wird,
                                                     wird der Nährstoff erneut zu einem
                                                     Gel, das Wurzeln und Stengel nährt,
                                                     bis die Blätter gewachsen sind, die
                                                     die Pflanze ernähren können. Der
                                                     Prozeß kann bei Getreide ganz le-
                                                     icht beobachtet werden, es ist
                                                     weich, wenn es frisch ist, doch es
                                                     härtet, wenn es austrocknet. Beim
                                                     Trocknungsvorgang wird der en-
                                                     thaltene Zucker in Stärke umge-
                                                     wandelt. Wird das Korn befeuchtet,
                                                     wandelt sich die Stärke wieder in
                                                     Zucker um. Der Same braucht
                                                     Wasser, um diese chemische
                                                     Veränderung zu durchlaufen.

                    Das Erwachen aus dem “Winterschlaf”
                    Wenn die obengenannten Voraussetzungen gleichzeitig eintreten,
                finden bestimmte chemische Prozeß im Samen statt. Bevor der Keimung
                befindet sich der Same in einer Schlafphase. Der Embryo verbleibt im
                Ruhezustand durch das Wirken bestimmter Pflanzenhormone, von denen
                das wichtigste die Abscisilsäure ist. Die Samenhülle ist dicht und hart
                genug, das Eindringen von Gasen zu verhindern und Aktivitäten des
                Embryos zu verhindern. Doch wenn der Same mit Wasser in Berührung
                kommt, schwillt seine Hülle an. Die Enzyme in den Zellen des Embryos
                werden aktiviert und produzieren nunmehr ein neues Hormon mit dem
                Namen Gibberellin, das die Abscisilsäure neutralisiert, die den Embryo im
                Schlafstadium hält. Nun kommt das Stoffwechsel-Enzym Alphaamylase
                ins Spiel, das die im Endospermium gespeicherte Stärke aufspaltet und es
                der jungen Pflanze als Zucker zur Verfügung stellt, der wiederum die für
                die Zellteilung nötige Energie liefert. 53
                    Wenn die Menschen einen Samen in die Erde pflanzen, wissen sie
                normalerweise nichts über diese Prozesse. Einige Tage später, wenn der
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