Page 604 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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ist, zu Hause zu speisen, so thut es doch Niemand gern, da es nicht
                gerade für besonders ehrbar gilt; auch gilt es für thöricht, sich die Mühe
                mit der Bereitung eines mittelmäßigen Mahles zu machen, da man es

                herrlich und trefflich zubereitet ganz in der Nähe in der Halle haben
                kann.
                     In dieser Halle werden alle schmutzigeren oder mühsameren
                Dienstleistungen von Knechten verrichtet. Das Kochen und die ganze
                Herrichtung der Speisetische besorgen die Frauen allein und zwar von
                allen Familien abwechslungsweise. Man nimmt an drei oder mehr
                Tischen Platz, je nach der Zahl der Gäste. Die Männer haben die Plätze

                an der Wand, die Frauen ihnen gegenüber, damit sie, wenn ihnen
                plötzlich eine Uebelkeit zustoßen sollte, was bei Schwangeren zuweilen
                der Fall zu sein pflegt, ohne die Sitzordnung zu stören, sich erheben und
                zu den Ammen abgehen können; diese sitzen dann mit ihren Säuglingen
                in einem eigenen Speisezimmer, das nie ohne Feuer und reines Wasser
                ist, wo sich auch die Wiegen befinden, um die Tragekinder hineinlegen

                und beim Feuer aus den Windeln wickeln zu können, wo sie dann mit
                ihnen tändeln.
                     Jede Mutter säugt ihr Kind, woran sie nur der Tod oder Krankheit
                verhindert; in solchem Falle besorgen die Frauen der Syphogranten rasch
                eine Amme, was nicht schwer fällt. Denn die zu solcher Dienstleistung
                Geeigneten bieten sich zu keinem Amte lieber an, weil ihnen für diesen
                Liebesdienst von allen Seiten Lob entgegen gebracht wird und der

                Säugling nachmals die Amme wie seine Mutter betrachtet.
                     In der Ammenstube befinden sich alle Knaben; die das fünfte Jahr
                noch nicht zurückgelegt haben. Die Unerwachsenen beiderlei
                Geschlechts, die noch nicht heirathsfähig sind, warten entweder den um
                die Tafel Gelagerten auf, oder stehen wenigstens, wenn sie sich dem
                Alter nach noch nicht dazu eignen, dabei, verhalten sich aber gänzlich

                schweigsam und still. Sie essen, was ihnen von den Tafelnden gereicht
                wird, daselbst, haben auch sonst keine Zeit für das Essen bestimmt.
                     In der Mitte des ersten Tisches (dieses ist der oberste Platz) sitzt der
                Syphogrant mit seiner Gattin. Von dieser Stelle aus übersieht man die
                ganze Tischgesellschaft, weil dieser Tisch im obersten Theile des
                Speisesaales quer steht. Neben ihnen sitzen zwei der Aeltesten. Denn an
                allen Tischen sitzt man zu viert.

                     Wenn aber ein Tempel in der Syphograntie gelegen ist, so sitzen der
                Priester und seine Frau beim Syphogranten und führen den Vorsitz. Zu
                beiden Seiten von ihnen sitzen jüngere Leute, dann wieder Greise, und
                so sind im ganzen Hause sowohl Altersgenossen zusammengebracht, als





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