Page 607 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Bei solcher Lebensführung muß Ueberfluß in allen Dingen im Volke
vorhanden sein, und durch die gleichmäßige Vertheilung kommt es, daß
es keine Armen und keine Bettler gibt.
Sobald im Senate von Amaurotum (wohin, wie schon bemerkt,
jährlich drei Abgeordnete aus jeder Stadt entsendet werden) festgestellt
ist, was etwa an einem Orte in Ueberfluß vorhanden ist und woran es
andernorts mangelt, so wird der Mangel alsbald ausgeglichen durch die
Ueberfülle des ersten Orts und das geschieht ohne Entgelt, indem die in
dieser Weise Beschenkten nichts dafür zu entrichten brauchen. Was eine
Stadt der andern schenkweise überläßt, stellt sie dieser nicht in
Rechnung: andererseits erhält sie selbst wieder von einer anderen Stadt
geliefert, was ihr fehlt, wofür sie ebenfalls keine Entschädigung leistet.
So bildet die ganze Insel gleichsam eine Familie.
Wenn sie sich selbst genügend versehen haben (was sie aber nicht für
geschehen erachten, wenn sie nicht für zwei Jahre, wegen des
ungewissen Ausfalles der Ernte des nächsten Jahres, vorgesorgt haben)
exportiren sie den Ueberschuß in großen Mengen, als da ist Getreide,
Honig, Wolle, Flachs, Holz, Färberwaid und Purpurschnecken, Felle,
Wachs, Talg, Leder und auch Thiere, in die Fremde, von welchen Dingen
allen sie den siebenten Theil den Armen jener Gegenden schenken, das
Uebrige zu mäßigem Preise verkaufen.
In Folge dieses Handels führen sie auch jene Waaren bei sich ein,
deren sie in der Heimat entbehren (obwohl es Derartiges außer Eisen fast
nicht gibt), insbesondere eine große Menge Gold und Silber.
Da sie dies schon lange so halten, haben sie an solchen Sachen einen
so bedeutenden Ueberfluß aufgehäuft, daß man es kaum glauben möchte.
Darum ist es ihnen ziemlich gleichgültig, ob sie gegen baar Geld
verkaufen, oder auf Kredit, daher sie auch das Meiste auf Schuldscheine
ausstehen haben; dabei gelten solche von Privatleuten nichts: es müssen
rechtsgültig ausgestellte Dokumente sein, mittels derer eine ganze Stadt
sich offiziell verbürgt.
Sobald der Zahlungstag gekommen ist, fordert die Stadt die Schulden
von den Privatschuldnern ein und behält deren Betrag im Aerar und hat
von diesem Gelde den Nutzgenuß solange, bis es die Utopier
zurückfordern. Sie thun dies aber mit dem größten Theile desselben
nicht. Denn einem Anderen das zu nehmen, was für sie keinen Werth hat,
diesem aber zum Nutzen gereicht, würden sie nicht für billig halten.
Uebrigens, wenn es gerade einmal erforderlich ist und sie jenes Geld
theilweise einem anderen Volke leihen wollen, oder im Kriegsfalle,
fordern sie es doch voll zurück; zu diesem einen Zweck behalten sie
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