Page 662 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Uebeln entrückt wäre, statt von Bergen von Reichthürmern gleichsam
                belagert zu sein.
                     Ich lasse mir auch nicht beifallen, einen Zweifel zu hegen, daß

                entweder die vernünftige Erwägung des eigenen Vortheils, oder die
                Autorität unseres Heilands Christus (der bei seiner holten Weisheit wohl
                wissen mußte, was das Beste ist, und bei seiner unendlichen Güte das
                anrathen, was er als das Beste erkannte) unseren ganzen Welttheil schon
                längst zu der Gesetzgebung dieses (des utopischen) Staatswesens geführt
                haben würde wenn nicht ein gräuliches Unthier, Ursprung und Zeugerin
                alles Fluches und Verderbens, die Hoffart, aus aller Macht widerstrebte,

                die das Wohlsein nicht nach dem eigenen Vortheil, sondern nach dem
                Schaden der Andern bemißt.
                     Sie würde sogar auf den Rang einer Göttin verzichten, wenn es keine
                Armen gäbe, über die sie herrschen, und die sie hochfahrend behandeln
                könnte. Durch Kontrast mit dem Elend strahlt erst recht das Glück der
                Reichen, das seine Schätze auskramt und die entbehrende Noth peinigt

                und aufreizt.
                     Diese höllische Schlange kriecht und wühlt in den Herzen der
                Menschen und hält sie davon ab, einen besseren Lebensweg
                einzuschlagen, wie der Fisch, Schiffshalter genannt, das Schiff
                zurückhält. Sie nistet so tief in der Menschen Brust, daß sie nicht leicht
                herausgerissen werden kann.
                     Ich freue mich, daß diese Form des Staatswesens, die ich allen

                Menschen wünschen würde, wenigstens den Utopiern zu Theil geworden
                ist, die solche Einrichtungen für ihr Leben getroffen haben, mit denen sie
                das glücklichste Fundament zu ihrem Staate gelegt haben, aber nicht nur
                das, sondern, so viel menschliche Voraussicht zu weissagen im Stande
                ist, zu einem Staate, der von ewiger Dauer sein wird.
                     Denn, nachdem die Wurzeln des Ehrgeizes und der Parteiungen mit

                den übrigen Lastern im Innern ausgerottet sind, droht keine Gefahr mehr,
                daß ein Bürgerzwist ausbreche, welcher den ausgezeichnet fundirten
                Wohlstand vieler Gemeinden und Städte dem Ruin entgegenführen
                könne.
                     Und da die innere Eintracht nicht zu zerstören ist, und die Staatlichen
                Einrichtungen das Heil Utopiens verbürgen, so ist der Neid aller
                benachbarten Fürsten (der es Schon gar oft versucht hat, dessen Versuche

                aber stets zurückgeschlagen worden sind) ohnmächtig, dieses Reich zu
                erschüttern oder in Aufruhr zu versetzen.


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