Page 659 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
P. 659
Mittagessen.
Den übrigen Theil des Tages verbringen sie mit Spielen und
militärischen Uebungen. – – –
Nun habe ich nach bestem Vermögen wahrheitsgemäß die Form
dieser Republik beschrieben, die ich sicherlich nicht nur für die beste,
sondern auch für die einzige halte, die mit vollem Rechte den Namen
Republik, »Gemeinwesen«, verdient. Denn irgendwo anders ist, während
sie Alle vom Allgemeinen Wohl sprechen, doch Jeder nur auf seinen
eigenen Nutzen bedacht. Aber da, wo es kein Privateigenthum gibt, wird
das öffentliche Interesse ernstlich wahrgenommen, und zwar auf beiden
Seiten mit vollem Rechte. Denn wer würde anderwärts wohl nicht
wissen, daß er Hungers sterben müßte, wenn er, selbst bei dem
blühendsten Stande des Staates nicht selbst für sich wacker sorgt?
Und so wird er durch die unausweichliche Nothwendigkeit gedrängt,
mehr seinen Vortheil, als den des Volkes, d. i. der Andern, im Auge zu
haben.
In Utopien dagegen, wo Alles Allen gehört, zweifelt Niemand daran
(wenn nur dafür gesorgt ist, daß die öffentlichen Speicher gefüllt sind)
daß ihm je etwas für seine Privatbedürfnisse fehlen werde. Denn dort
gibt es keine knickerig-hämische Vertheilung der Güter, keine Armen
und keine Bettler, und obwohl Keiner etwas besitzt, sind doch Alle reich.
Denn gibt es einen herrlicheren Reichthum, als ohne jede Sorge,
frohen und ruhigen Gemüthes zu leben? ohne für seinen Lebensunterhalt
sorgen zu müssen, ohne von den beharrlich jammernden Klagen der
Gattin gequält zu werden, ohne fürchten zu müssen, daß der Sohn in
Noth gerathen werde, und wegen der Mitgift der Tochter unbesorgt sein
zu dürfen, sondern für ihren und aller der Ihrigen Lebensunterhalt, der
Gattin, der Söhne, der Enkel, Urenkel und Ururenkel und für die ganze
Reihe der Nachkommen, so lang sie auch immer sei, gesorgt und deren
Glück verbürgt zu wissen? Es wird nicht weniger für Diejenigen gesorgt,
die jetzt arbeitsunfähig sind, aber einst gearbeitet haben, wie für die
Diejenigen, die zur Zeit noch arbeiten.
Da möchte ich doch sehen, ob sich Einer erdreistet, mit diesem
hohen Billigkeitssinne die Gerechtigkeit anderer Völker zu vergleichen,
und ich will gleich des Todes sein, wenn bei ihnen überhaupt eine Spur
von Gerechtigkeit oder Billigkeit zu finden ist.
Denn was ist das für eine Gerechtigkeit, daß irgend ein Adeliger oder
Goldschmied oder ein Wucherer oder ein beliebiger Anderer, die rein
nichts thun und leisten, oder, wenn sie etwas thun, nur Derartiges, was
für das Gemeinwohl nicht erforderlich ist, ein glänzendes, üppiges Leben
658