Page 655 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Ihre Werthschätzung ist zu Hause nicht großer, als bei den
auswärtigen Völkern, und es ist leicht ersichtlich, woher dies, wie ich
glaube, rührt.
Während die Truppen um Entscheidung in der Schlacht ringen,
lassen sich Jene nicht weit davon auf die Kniee nieder, mit ihren
geweihten Geländern angethan, und flehen mit zum Hummel
emporgestreckten Händen vor allen Dingen um Frieden, dann um Sieg
für die Ihrigen und um einen möglichst unblutigen Ausgang für beide
Theile. Wenn die Ihrigen siegen, eilen sie in das Schlachtgewühl und
thun dem Wüthen gegen die geschlagenen Einhalt; wer sie nur sieht und
ihnen zuruft, dem ist sein Leben gesichert. Die Berührung ihrer
wallenden Gewänder sodann rettet all ihr Besitzthum vor allen weiteren
Unbilden des Krieges.
Daher genießen sie bei allen Völkern rings umher eine so große
Verehrung und sind von so viel wahrer Majestät umgeben, daß ihre
Anwesenheit in der Schlacht für ihre eigenen Bürger einen nicht
minderen Schutz gegen die Feinde bedeutet, als sie ein solcher für die
Feinde gegen die Utopier sind. Es ist wenigstens manchmal
vorgekommen, daß, wenn ihre Schlachtordnung geworfen worden war
und sie sich in verzweifelter Lage zur Flucht wandten, und die Feinde
zur Plünderung und Niedermetzelung heranstürmten, durch die
Dazwischenkunft der Priester die völlige Niederlage aufgehalten, die
gegenseitigen Truppen getrennt worden und der Friede unter billigen
Bedingungen zu Stande gekommen und abgeschlossen worden ist.
Und noch niemals hat es ein so wildes, grausames und barbarisches
Volk gegeben, daß Leib und Leben dieser Priester ihm nicht als
hochheilig und unverletzlich gegolten hätte.
Feste feiern sie am ersten und am letzten Tage jedes Monats und des
Jahres, das sie in Monate eintheilen, die nach dem Mondumlaufe
gegliedert sind, während der Umlauf der Sonne das Jahr begrenzt. Die
ersten Tage heißen in ihrer Landessprache Eynemernen, die letzten
Trapemernen, welche Wörter als »Anfangsfest« und »Endfest« gedeutet
werden mögen.
Man findet bei ihnen prachtvolle Tempel, nicht nur trefflich gebaute,
sondern, was bei der geringen Anzahl derselben nöthig war, sehr
geräumige, die große Volksmassen fassen können, Trotzdem aber sind
sie halbdunkel, was nicht aus Unverstand der Baumeister, sondern auf
den Rath der Priester so eingerichtet worden sein soll, weil übermäßig
helles Licht die Gedanken ablenke und zerstreue, während durch
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