Page 58 - Bund der Steuerzahler in Bayern - Chronik 70 Jahre
P. 58
1949 2012 2019
BdSt Berlin
Arm aber sexy
oder sparen, bis es quietscht?
Wenn es um die Landesfinanzen unserer konjunkturelle Entwicklung ihren Anteil da- Die Wirtschaft tüftelt für Schwertranspor-
Bundeshauptstadt geht, kommen vielen ran, dass der Finanzsenator zum Ende des te Routen im Zickzackkurs durch die Stadt
noch immer zuerst die markigen Aussprü- Jahres 2018 einen Schuldenstand von 57,6 aus. Auch die Straßen und Gehwege
che des ehemaligen regierenden Bürger- Milliarden Euro verzeichnen konnte. bräuchten dringend Sanierungsmaßnah-
meisters „arm aber sexy“ oder „sparen, bis men in Milliardenhöhe. Stattdessen leistet
es quietscht“ in den Sinn. Leider macht die Schuldenuhr aber nur ei- sich die Stadt immer wieder allerlei Kurio-
nen Teil des Problems sichtbar. Neben den sitäten.
Die Schulden des Stadtstaates hatten sich Kreditmarktschulden drücken Berlin auch
nach der Wende von 10,8 Milliarden Euro die Vorsorgeverpflichtungen für seine Be- So wurden aus den Mitteln der Fußverkehrs-
im Jahr 1991 innerhalb von nur einem Jahr- amten. Bereits im Jahr 2011 hatte der strategie des Berliner Senats 2017 im Bezirk
zehnt fast vervierfacht. 2011 erreichte Ber- Bund der Steuerzahler in den Medien vor Marzahn-Hellersdorf Kreuzungsecken barri-
lins Schuldenberg seinen Höchststand, der einer Pensionslawine gewarnt, die auf Ber- erefrei abgesenkt, wo es überhaupt keine
sich am Jahresende auf sagenhafte 62,9 lin zurollt. Damals hatten wir diese auf ein Gehwege gibt. In Pankow wurden 2012
Milliarden Euro belief. Volumen von mindestens 66 bis 69 Milliar- Leuchtstelen im Rahmen einer Straßenbau-
den Euro geschätzt. Nachdem Medien da- maßnahme als Kunst im Stadtraum errich-
Die Ursachen für den rasanten Schuldenzu- mals über die Zahlen berichtet hatten, for- tet. Nach und nach gehen an den Lichtins-
wachs in den 90er Jahren sind dabei nicht derten Abgeordnete vom Finanzsenator tallationen die Lichter aus,
nur in einer riesigen, aus Ost und West zu- Aufklärung über die Höhe der Pensionslas- worin das Bezirksamt aber keine „Kunst-
sammengefügten Verwaltung, sondern ten, die in den folgenden Jahrzehnten den schmälerung“ zu erkennen vermag. Statt
auch in der Überführung Berlins in den Län- Berliner Landeshaushalt belasten werden. die Gehwege zu reparieren, wird der Aufent-
derfinanzausgleich und den Nachwirkun- 2019 legte der Berliner Finanzsenat haltsraum für Fußgänger durch sogenannte
gen einer über Jahrzehnte hinweg verfehl- schließlich ein versicherungsmathemati- Parklets auf die Straße erweitert. Auf ihnen
ten Wohnungsbaupolitik zu sehen. Auch sches Gutachten mit eigenen Annahmen kann man sitzen, während Zentimeter da-
spiegeln sich in den Schulden des Landes vor, nach dem die Pensionsverpflichtungen hinter der Verkehr vorbeidonnert. Straßen
bis heute die Erblasten aus der Krise der in den nächsten Jahren auf rund 68 Milliar- werden zu Begegnungszonen umgebaut
Berliner Bankgesellschaft wider. den Euro anwachsen werden. und für viel Steuergeld mit blauen Beton-
würfeln und grünen Punkten dekoriert.
Seit dem Jahr 2012 laufen die gelben Zif- Auch wenn die Hauptstadt im Jahr 2019
fern auf der blauen Schuldenuhr am Haus noch immer am Tropf des Länderfinanzaus- Angesichts von finanziell aus dem Ruder ge-
des Bundes der Steuerzahler Berlin erfreuli- gleichs hängt, aus dem rund 15 Prozent sei- laufenen Großbauprojekten, wie der Staats-
cherweise rückwärts. Berlin hat damit be- ner Einnahmen stammen, leistet sie sich oper Unter den Linden oder dem Flughafen
gonnen, die hohe Verschuldung, die auch immer wieder Ausgaben, die bei den Bür- BER, mögen diese Beispiele wie „Peanuts“
der Bund der Steuerzahler immer wieder in gern der Geberländer zu Kopfschütteln füh- klingen. Sie zeigen aber auch, wie wichtig
die öffentliche Wahrnehmung gerückt hat, ren. Statt den Sanierungsrückstau in einem die Arbeit des Bundes der Steuerzahler ist,
abzubauen. Durch die Begrenzung des Aus- Umfang von rund einer Milliarde Euro an der auch die vielen „kleinen“ Verschwen-
gabenwachstums und anderer Konsolidie- den Berliner Brücken abzubauen, schafften dungen aufdeckt. Und die Beispiele zeigen,
rungsmaßnahmen konnte das Land seit- es in den letzten Jahren zahlreiche Ver- wie wichtig die seit jeher vom Verein gefor-
dem jährlich einen Haushaltsüberschuss schwendungsfälle in unser Schwarzbuch. derte und schließlich auch grundgesetzlich
Alexander Kraus, Landesvorsitzender erzielen und Altschulden tilgen. Sicherlich Die Berliner quälen sich derweil aufgrund verankerte Schuldenbremse ist, um die Ver-
des Bundes der Steuerzahler Berlin e. V., haben auch die sprudelnden Steuereinnah- der zunehmenden Brückensperrungen über waltung zu disziplinieren. Denn arm zu sein
hat die Finanzen der Bundeshauptstadt
fest im Blick. men, die niedrigen Zinsen und die günstige Schleichwege durch den Berufsverkehr. ist überhaupt nicht sexy. AK
5858 Über uns 70 Jahre | BdSt Deutschland e. V.70 Jahre | BdSt Deutschland e. V. 70 Jahre | BdSt Deutschland e. V.70 Jahre | BdSt Deutschland e. V. Über uns 5959