Page 59 - Bund der Steuerzahler in Bayern - Chronik 70 Jahre
P. 59

1949                                                                                    2012                   2019















        BdSt Berlin


        Arm aber sexy


        oder sparen, bis es quietscht?





        Wenn es um die Landesfinanzen unserer   konjunkturelle Entwicklung ihren Anteil da-  Die Wirtschaft tüftelt für Schwertranspor-
        Bundeshauptstadt geht, kommen vielen   ran, dass der Finanzsenator zum Ende des   te Routen im Zickzackkurs durch die Stadt
        noch immer zuerst die markigen Aussprü-  Jahres 2018 einen Schuldenstand von 57,6   aus. Auch die Straßen und Gehwege
        che des ehemaligen regierenden Bürger-  Milliarden Euro verzeichnen konnte.  bräuchten dringend Sanierungsmaßnah-
        meisters „arm aber sexy“ oder „sparen, bis                              men in Milliardenhöhe. Stattdessen leistet
        es quietscht“ in den Sinn.          Leider macht die Schuldenuhr aber nur ei-  sich die Stadt immer wieder allerlei Kurio-
                                            nen Teil des Problems sichtbar. Neben den   sitäten.
        Die Schulden des Stadtstaates hatten sich   Kreditmarktschulden drücken Berlin auch
        nach der Wende von 10,8 Milliarden Euro   die Vorsorgeverpflichtungen für seine Be-  So wurden aus den Mitteln der Fußverkehrs-
        im Jahr 1991 innerhalb von nur einem Jahr-  amten. Bereits im Jahr 2011 hatte der   strategie des Berliner Senats 2017 im Bezirk
        zehnt fast vervierfacht. 2011 erreichte Ber-  Bund der Steuerzahler in den Medien vor   Marzahn-Hellersdorf Kreuzungsecken barri-
        lins Schuldenberg seinen Höchststand, der   einer Pensionslawine gewarnt, die auf Ber-  erefrei abgesenkt, wo es überhaupt keine
        sich am Jahresende auf sagenhafte 62,9   lin zurollt. Damals hatten wir diese auf ein   Gehwege gibt. In Pankow wurden 2012
        Milliarden Euro belief.             Volumen von mindestens 66 bis 69 Milliar-  Leuchtstelen im Rahmen einer Straßenbau-
                                            den Euro geschätzt. Nachdem Medien da-  maßnahme als Kunst im Stadtraum errich-
        Die Ursachen für den rasanten Schuldenzu-  mals über die Zahlen berichtet hatten, for-  tet. Nach und nach gehen an den Lichtins-
        wachs in den 90er Jahren sind dabei nicht   derten Abgeordnete vom Finanzsenator   tallationen die Lichter aus,
        nur in einer riesigen, aus Ost und West zu-  Aufklärung über die Höhe der Pensionslas-  worin das Bezirksamt aber keine „Kunst-
        sammengefügten Verwaltung, sondern   ten, die in den folgenden Jahrzehnten den   schmälerung“ zu erkennen vermag. Statt
        auch in der Überführung Berlins in den Län-  Berliner Landeshaushalt belasten werden.   die Gehwege zu reparieren, wird der Aufent-
        derfinanzausgleich und den Nachwirkun-  2019 legte der Berliner Finanzsenat   haltsraum für Fußgänger durch sogenannte
        gen einer über Jahrzehnte hinweg verfehl-  schließlich ein versicherungsmathemati-  Parklets auf die Straße erweitert. Auf ihnen
        ten Wohnungsbaupolitik zu sehen. Auch   sches Gutachten mit eigenen Annahmen   kann man sitzen, während Zentimeter da-
        spiegeln sich in den Schulden des Landes   vor, nach dem die Pensionsverpflichtungen   hinter der Verkehr vorbeidonnert. Straßen
        bis heute die Erblasten aus der Krise der   in den nächsten Jahren auf rund 68 Milliar-  werden zu Begegnungszonen umgebaut
        Berliner Bankgesellschaft wider.    den Euro anwachsen werden.          und für viel Steuergeld mit blauen Beton-
                                                                                würfeln und grünen Punkten dekoriert.
        Seit dem Jahr 2012 laufen die gelben Zif-  Auch wenn die Hauptstadt im Jahr 2019
        fern auf der blauen Schuldenuhr am Haus   noch immer am Tropf des Länderfinanzaus-  Angesichts von finanziell aus dem Ruder ge-
        des Bundes der Steuerzahler Berlin erfreuli-  gleichs hängt, aus dem rund 15 Prozent sei-  laufenen Großbauprojekten, wie der Staats-
        cherweise rückwärts. Berlin hat damit be-  ner Einnahmen stammen, leistet sie sich   oper Unter den Linden oder dem Flughafen
        gonnen, die hohe Verschuldung, die auch   immer wieder Ausgaben, die bei den Bür-  BER, mögen diese Beispiele wie „Peanuts“
        der Bund der Steuerzahler immer wieder in   gern der Geberländer zu Kopfschütteln füh-  klingen. Sie zeigen aber auch, wie wichtig
        die öffentliche Wahrnehmung gerückt hat,   ren. Statt den Sanierungsrückstau in einem   die Arbeit des Bundes der Steuerzahler ist,
        abzubauen. Durch die Begrenzung des Aus-  Umfang von rund einer Milliarde Euro an   der auch die vielen „kleinen“ Verschwen-
        gabenwachstums und anderer Konsolidie-  den Berliner Brücken abzubauen, schafften   dungen aufdeckt. Und die Beispiele zeigen,
        rungsmaßnahmen konnte das Land seit-  es in den letzten Jahren zahlreiche Ver-  wie wichtig die seit jeher vom Verein gefor-
        dem jährlich einen Haushaltsüberschuss   schwendungsfälle in unser Schwarzbuch.   derte und schließlich auch grundgesetzlich
 Alexander Kraus, Landesvorsitzender   erzielen und Altschulden tilgen. Sicherlich   Die Berliner quälen sich derweil aufgrund   verankerte Schuldenbremse ist, um die Ver-
 des Bundes der Steuerzahler Berlin e. V.,   haben auch die sprudelnden Steuereinnah-  der zunehmenden Brückensperrungen über   waltung zu disziplinieren. Denn arm zu sein
 hat die Finanzen der Bundeshauptstadt
 fest im Blick.  men, die niedrigen Zinsen und die günstige   Schleichwege durch den Berufsverkehr.   ist überhaupt nicht sexy. AK


 5858  Über uns  70 Jahre | BdSt Deutschland e. V.70 Jahre | BdSt Deutschland e. V.  70 Jahre | BdSt Deutschland e. V.70 Jahre | BdSt Deutschland e. V.  Über uns 5959
   54   55   56   57   58   59   60   61   62   63   64