Page 70 - Bund der Steuerzahler in Bayern - Chronik 70 Jahre
P. 70
1949 1998 2019
BdSt Schleswig-Holstein
Von Nachbarn lernen
Europäischer Wirtschaftssenat
Gemeinsam mehr erreichen Auf Einladung des Bundes der Steuerzahler Archiv
Schleswig-Holstein sprach am 1. Juli 1998
Björn Tarras-Wahlberg, damaliger Präsi-
dent der schwedischen Steuerzahlerorga-
Der Europäische Wirtschaftssenat (EWS) Partei der Madame Le Pen, der vorgeworfen nisation und Präsident der Taxpayers
gratuliert dem Steuerzahlerbund mit gro- wird, vom Parlament bezahlte Assistenten Associations International (Foto), in Kiel zu
ßer Dankbarkeit und Freude zum 70-jähri- missbräuchlich für Parteiarbeiten verwen- „steuer- und sozialpolitischen Reformen in
gen Jubiläum. Der Bund ist heute noch ge- det zu haben). Schweden – ein Vorbild für Deutschland“.
nauso notwendig und sinnvoll wie vor Dabei gab er einen Einblick in die Arbeit
70 Jahren, weil die steuerlichen Themen in Ein letztes Beispiel für die fruchtbare Zu- der schwedischen Steuerzahlerorganisati-
der heutigen Zeit noch an Bedeutung ge- sammenarbeit von EWS und Steuerzahler- on, die mit ihrer Kampagne „hälften Kvar –
wonnen haben: die Höhe der Staatseinnah- bund ist die Einführung einer europaweiten die Hälfte ist genug“ maßgeblich dazu bei-
men hat sich in den letzten 70 Jahren dra- Transparenzliste für Lobbyisten in Brüssel. In getragen hat, dass 1991 in Schweden eine
matisch erhöht und damit hat sich auch die dieser Liste werden alle Lobbyvertreter auf- durchgreifende Steuerreform durchgeführt
Gefahr eines unsachgemäßen Umgangs geführt, die ein relevantes Büro in Brüssel wurde. Damit verbunden waren drastische
immens vergrößert. unterhalten. Die Konsequenz besteht darin, Einsparungen auf allen Ebenen des
dass hohe Beamte und Kommissare sich nur Staates.
Der EWS blickt dabei auf eine jahrzehnte- mit Lobbyisten treffen dürfen, die im Trans- Seine Erfahrungen sind ebenfalls in die Kampagne „die Hälfte ist genug“ des Bundes der Steu-
lange überaus erfolgreiche Zusammenar- parenzregister aufgeführt sind. Dies dient In seiner Einführung zu dem Vortrag ging erzahler eingeflossen: Johann Langbroek (l.), Präsident der niederländischen Steuerzahlerorga-
nisation, tauschte sich 1999 mit Dr. Jürgen Pratje (r.), Präsident des Bundes der Steuerzahler
beit zurück, die eine lang anhaltende Wir- der Transparenz der Gesetzgebung auf euro- der damalige Präsident des Bundes der Schleswig-Holstein über den „Halbteilungsgrundsatz“ aus.
kung zum Wohle der Bürger und der Ver- päischer Ebene und ist beispielhaft für viele Steuerzahler Schleswig-Holstein,
besserung der Transparenz des nationalen Parlamente. Dr. Jürgen Pratje, auf den seinerzeitigen
Staatshandelns entfaltete. Das begann mit Reformstau im Steuer- und Sozialsystem
einem intensiven gemeinsamen Kampf ge- Der EWS achtet und respektiert die Arbeit der Bundesrepublik Deutschland ein. Um on mit dem Publikum.) Nach dem Vorbild in Deutschland, um darzustellen, ob der
gen quälende Tiertransporte von Lebend- des Steuerzahlerbundes auf den drei Ebe- Lösungen zu finden, lohne sich ein Blick Schwedens hat auch der Bund der Steuer- Halbteilungsgrundsatz des Verfassungsge-
tieren in arabische Länder. Entscheidende nen, der regionalen, der nationalen und eu- über die Grenzen. Neben Schweden seien zahler in Deutschland eine Kampagne nach richtes eingehalten wird. Jährlich wird im
Verbesserungen konnten dabei auf europä- ropäischen Ebene. Der ständige Austausch auch die Niederlande ein gutes Beispiel für dem Motto „Die Hälfte ist genug“ geführt. Sommer der „Steuer zahlergedenktag“ aus-
ischer Ebene erreicht werden. von Ideen und Anregungen, wie effektives gelungene Reformbemühungen. So gab es gerufen, an dem die Bürger rein rechnerisch
und Quästor des Europäischen Parlaments Staatshandeln gefördert werden kann, am 16. Juni 1999 in Kiel auch einen Folge- Äußeres Symbol war unter anderem eine ihre Pflichten für den Staat erfüllt haben.
Eine permanente und intensiv geführte entschieden, statt einer pauschalen Rege- dient dabei dem Gemeinwohl aller. Wir vortrag von Johann Langbroek, Präsident Anstecknadel mit erst einer halben Mark
Diskussion beschäftigte sich mit dem lung der Reisekostenabrechnung eine punkt- wünschen dem befreundeten Steuerzahler- der niederländischen Steuerzahlervereini- und später mit einem halben Euro. Größter Die europäische Zusammenarbeit hat im
inner europäischen Steuerwettbewerb un- genaue Abrechnung vorzunehmen. Eine bund weiterhin gute Ideen, erfolgreiches gung, über das holländische „Polder“ Erfolg dieser Kampagne war das Urteil des Landesverband Schleswig-Holstein eine
ter den EU-Mitgliedstaaten. Einerseits ist ebenso schwierige Diskussion ergab sich bei Durchsetzen seiner Ideen und zufriedene Reformmodell (auf dem Foto mit Dr. Jürgen Bundesverfassungsgerichts von 1995 zu lange Tradition. Schon im Mai 1969 trafen
klar, dass weniger Steuerharmonisierung der juristischen Behandlung der Beschäfti- Mitglieder. Pratje (r.) bei der anschließenden Diskussi- dem sogenannten „Halbteilungsgrund- sich Vertreter von neun europäischen Steu-
mehr Wettbewerb ermöglicht und damit gung von Assistenten: vor allem ging es um satz“. Als Faustformel dürfe erzahlerorganisationen in Luxemburg, um
einen heilsamen Druck in Richtung niedri- die Entscheidung, wer juristisch Arbeitgeber Archiv der Staat dem Bürger nicht eine erste Dachorganisation zu gründen.
ge Steuern ausübt. Andrerseits zeigte der ist: der einzelne Abgeordnete oder das Parla- VON INGO FRIEDRICH mehr als 50 Prozent von Eine treibende Kraft war damals Walter
Missbrauch der nationalen Steuermöglich- ment als Organ. Letztlich wurde festgelegt, Dr. Ingo Friedrich war von 1979-2009 Abge- dem Erwirtschafteten an Hoppe, Kaufmann aus Westerland auf Sylt
keiten bei der nahezu Null-Besteuerung dass alle Assistentenverträge mit der Parla- ordneter des Europäischen Parlaments, von Belastung wieder abneh- und Vizepräsident des Bundes der Steuer-
amerikanischer Internetkonzerne insbe- mentsvertretung, also ganz offiziell inkl. aller 1992 bis 1999 Vorsitzender der CSU-Europa- men. Nach der späteren zahler Schleswig-Holstein. Er wurde dann
sondere in Irland, den Niederlanden und Sozialabgaben abgeschlossen werden müs- gruppe im Europäischen Parlament. Seit Auslegung dieses Grund- auch zum ersten Präsidenten dieser euro-
Luxemburg, dass auch dieser Wettbewerb sen. Damit wurden alle denkbaren „Trickse- 1996 ist er Schatzmeister der Europäischen satzes gelte dabei eine päischen Vereinigung gewählt und führte
Mindeststandards, also ein Minimum an reien“ etwa mit der Beschäftigung von Ver- Volkspartei (EVP), seit 2001 Präsident der Eu- wirtschaftliche Gesamt- sie 16 Jahre lang mit großem Erfolg. 1986
Regeln, benötigt, um Fairness bei der Steu- wandten von vornherein ausgeschlossen. ropäischen Bewegung Bayern, seit 2009 Prä- schau. Eine unmittelbare ging der Vorsitz auf den bis heute amtie-
ererhebung und Akzeptanz bei den Bür- sident des Europäischen Wirtschaftssenats. Übertragung auf die Ein- renden Präsidenten Rolf von Hohenhau,
gern zu erreichen. Diese Festlegungen dienen sowohl der Kor- Von 1999-2007 war Friedrich einer der 14 ge- kommens- und Steuerver- Präsident des Bundes der Steuerzahler Bay-
rektheit und Transparenz gegenüber dem wählten Vizepräsidenten des Europäischen hältnisse einzelner Bürger ern, über.
Eine enge Zusammenarbeit pflegten beide Steuerzahler als auch dem Ansehen des Eu- Parlaments. 2004 erhielt er das Große Bun- wird nicht gefordert.
Verbände auch, als es darum ging, die sen- ropäischen Parlaments, weil es seither kei- desverdienstkreuz. Friedrich ist Ehrenmitglied Der Bund der Steuerzahler Die in Taxpayers Associations of Europe
siblen Entschädigungsregeln des neuen Eu- nen Skandal mit Finanzabrechnungen von des Europäischen Parlaments und seit 2015 ermittelt seitdem (T.A.E.) umgetaufte Organisation spielt auf
ropäischen Parlaments zu definieren. So Parlamentsmitgliedern gab. (Eine gewisse Präsident der Wilhelm Löhe Hochschule. Björn Tarras-Wahlberg, Präsident der schwedischen Steuerzahlerorgani- regelmäßig die Einkom- Ebene der Europäischen Union eine immer
sation und Präsident der Taxpayers Associations International, inspiriert
wurde in meiner Zeit als Präsidiumsmitglied Ausnahme davon bildete die französische den Bund der Steuerzahler 1998 zur Kampagne „Die Hälfte ist genug“. mensbelastungsquote wichtigere Rolle. RK
71
70
70 Fremde Federn 70 Jahre | BdSt Deutschland e. V. 70 Jahre | BdSt Deutschland e. V. Erfolge 71
70 Jahre | BdSt Deutschland e. V.
70 Jahre | BdSt Deutschland e. V.