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20 | Region KÖLn/Bonn
Gastbeitrag
Corona, die Stadt und die Region – auswirkungen der Krise
Dr. markus Eltges
Leiter des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung
Die Corona-Krise stellt Bund, Länder und Kommunen vor na-Pandemie dazu, dass der Zuzug in die Städte gebremst
eine in der Geschichte der Bundesrepublik nie dagewesene wird oder gar endet? Im Jahr 2020 ging die Zuwanderung
Herausforderung. Sie trifft gleichermaßen städtische und aus dem Ausland stark zurück. Wird das in den nächsten
ländliche Räume. Nach einer Auswertung des Bundesin- Jahren so bleiben? Die Krise könnte dazu führen, dass sich
stituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) lag der Trend, im Umland zu wohnen, verstärken wird. Aber
Anfang 2020 die Zahl der Neuinfektionen binnen sieben werden auch die ländlichen Räume abseits der Metropol-
Tagen pro 100.000 Einwohner in den ländlichen Kreisen räume davon profitieren? Inwieweit sich Wohnpräferenzen
sogar höher als in den Großstädten. Die Krise wird noch dahingehend verschieben, wird auch davon abhängen, ob
länger anhalten und die Städte und Regionen werden lange Homeoffice zur Normalität wird. In jedem Fall wird mobile
Zeit brauchen, um deren Folgen zu bewältigen, anders als Arbeit in Zukunft eine größere Bedeutung bekommen.
bei kurzfristigen Ereignissen wie Hochwasser oder Unwet- Nach BBSR-Schätzungen könnten 20 Millionen Menschen
terschäden. Solche Schäden lassen sich durch planerische in Formen der mobilen Arbeit eintreten. Das sind etwa 45
und bauliche Vorsorge minimieren. Corona ist wegen der Prozent aller Erwerbstätigen in Deutschland. Das Home-
Langfristigkeit und Weiträumigkeit eine Krise mit einer office-Potenzial ist also enorm, wenngleich nicht alle ständig
völlig anderen Dimension. von zu Hause aus tätig sein werden. Pendlerströme können
dauerhaft zurückgehen und wohnortnahe Versorgungsan-
Eine erste Konsequenz der Pandemie ist, dass die Förde- gebote profitieren, weil die Menschen ihre Einkäufe nicht
rung von Resilienz und Redundanz in der Gesellschaft und mehr regelmäßig in der Stadt erledigen würden. Das hätte
Wirtschaft stärker Grundlage politischer Planungen und Konsequenzen für innerstädtische Immobilien und Büro-
Entscheidungen werden muss – auf allen föderalen Ebenen. standorte, die nicht mehr in der Frequenz genutzt werden
Die Frage bleibt also: Wie gehen wir mit Krisen um? Wie würden wie vor Corona. Mehr arbeiten von zu Hause aus
bewältigen wir sie und wie gehen wir gestärkt aus ihnen erfordert vielfach auch entsprechende Anpassungen in der
hervor? Selbst wenn diese Krise überwunden sein wird, wird Wohnung, gegebenenfalls sogar einen Umzug in eine grö-
die nächste kommen. Das muss keine Pandemie sein, son- ßere Wohnung oder eine Wohnung mit einem anderen oder
dern könnte auch etwas grundlegend Anderes sein: Hitze, flexiblen Raumkonzept. Hier sind Ideen gefragt.
Trockenheit, Starkregen, Stromausfall etc. Die Pandemie
lehrt uns, dass wir unser Wissen zur Resilienz verbreitern Eine weitere wichtige Frage lautet: Wie können wir unsere
und vertiefen müssen. Innenstädte als lebendige und vielfältige Orte erhalten? Im
Bereich der Innenstadtentwicklung wird deutlich, dass die
Im Hinblick auf die Stadt- und Raumentwicklung rückt Pandemie laufende Prozesse beschleunigt. Der Strukturwan-
die Krise viele Fragen in den Vordergrund: Führt die Coro- del ist seit vielen Jahren Realität – und erfordert beispiels