Page 115 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Ueber die Helligkeitsvariationen der Farben.   103

     l t= 570 der hellste, dem Weiß am ähnliclisten aussehende Punkt
     des Spectrums  ist.  Zweitens gehe ich davon aus,  dass Weiß für
     König 's Auge dieselbe absolute G-röße der Steigungscoefficienten auf-
     weist wie für das meinige, was auch nicht sehr unrichtig sein kann.

     Werden also die Brüche -r-^— mit k^.^ = k^^ = 8,41 multiplicirt, so
                              ^•5 7
     erhalten wir  die Zahlen  k^  der  letzten Columne  in Tabelle "Vi L
                                                                    I
     Diese Zahlen sind als Ordinaten in Fig. 4 abgesetzt und bestimmen
     die punktirte Curve.  Es leuchtet unmittelbar  ein, dass durch die
     gemachten Annahmen nicht die Form dieser Curve, sondern nur ihre
     Lage im Verhältniss zu der meinigen beeinflusst worden  ist.
        Der wesentlichste Unterschied zwischen den beiden Curven der
     Fig. 4 ist wohl der,  dass die Lage des tiefsten Punktes für König
     bei X = 470, für mich dagegen bei l = 510 liegt, und es fragt sich
     nun, ob   dies von wirkhch  existirenden individuellen Unterschieden
     herrührt,  oder ob es nur dadurch bedingt ist, dass  die Curven aus
     ganz verschiedenartigen Messungen abgeleitet sind.  Es wäre ja sehr
     wohl  möglich,  dass  die weniger genaue Bestimmung der König-
     schen Constanten eine Verschiebung des tiefsten Punktes hätte her-
     beiführen können; von = 510 bis zu Ä = 450 sind       die König-
                            /,
     schen Werthe des   Aj ohnehin nur wenig verschieden,   so dass  ein
     kleiner Fehler hier der Curve leicht  eine ganz  falsche Form geben
     kann.  Unzweifelhaft ist es, dass die berechneten König'schen Con-
     stanten nicht genau sind, es kann aber keine Rede davon sein, dass
     sich dadurch eine falsche Lage des tiefsten Punktes ergeben hat. Den
     Beweis können wir leicht mittelst  Grleich. 11  führen.  Es sei  z. B.
     kx^ki]   hieraus  folgt dann Ri'^R),   oder in Worten: wenn ver-
     schiedene Farben dieselbe HelHgkeit haben, muss die Reizstärke am
     größten sein für diejenige Farbe,  die den kleinsten Steigungscoeffi-
      cienten hat.  Die Helligkeit der Farbenempfindimg wächst also um
      so langsamer mit dem Reize, je kleiner ihr Steigungscoefficient ist —
     mit dieser Thatsache  ist die Berechtigung des Namens  »Steigungs-
      coefficient« gegeben. Wenn wir also sämmtUche Farben des Spectrums
      auf dieselbe HelHgkeit bringen, wii'd immer diejenige Farbe, die den
      kleinsten  Steigungscoefficienten  hat,  die  größte  Reizstärke haben
      müssen.  Sieht man nun in Tabelle "Vlli nach, so wird man finden,
      dass unter allen Farben die von der Wellenlänge X = 470 immer die
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