Page 132 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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G-ottl. Frißdr. Lipps.
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Zuerkennen oder Absprechen ist ein positives oder negatives Urtheil.
Die angegebene Bestimmung des Gegenstandes vollzieht sich somit
in positiven und negativen Urtheilen.
Da zu den in einen Verein zusammengefassten Bestimmungen
noch weitere, die dem nämlichen Vereine zugehören, hinzutreten
können, so ist zwischen vollständiger und unvollständiger Bestimmung
eines Denkgegenstandes zu unterscheiden. Ein Gegenstand ist voll-
ständig bestimmt, wenn von jeder überhaupt vollziehbaren Bestim-
mung feststeht, ob sie dem Gegenstande zukommt oder nicht zu-
kommt. In den Urtheilen, welche dies entscheiden, bietet sich die
von dem Gegenstand vorhandene Erkenntniss oder der Begriff des
Gegenstandes dar. Ein vollständig oder unvollständig bestimmter
Gegenstand ist daher ein vollständig oder unvollständig erkannter
oder begriffener Gegenstand. Hiernach ist die Zusammengehörigkeit
und Vereinbarkeit von Bestimmungen als eine durch das Erkennen
oder Begreifen bedingte zu bezeichnen. Je nach den Zielen und
Bedürfnissen des Erkennens werden demgemäß verschiedene Motive
zur Bildung und Abgrenzung der in den Gegenständen vorliegenden
Vereine von Bestimmungen maßgebend sein.
Es sind anderseits selbständig und unselbständig bestehende
Gegenstände des Denkens zu unterscheiden. Denn eine und dieselbe
Bestimmung kann verschiedenen Gegenständen angehören ; in gleicher
Weise können mehrere, zu einem Vereine zusammenfassbare Bestim-
mungen an verschiedenen Gegenständen haften. Da nun die einzelne
Bestimmung ebenso wie der Verein, für sich allein, als Gegenstand
besteht, so kann demzufolge ein Gegenstand in einem anderen
Gegenstande sich darbieten: er ist in diesem Falle ein unselb-
ständig existirender Gegenstand. Ein Gegenstand ist hingegen selb-
ständig, wenn die ihm zukommenden Bestimmungen keinem um-
fassenderen Vereine gegenständlich vorliegender, zusammengehöriger
oder miteinander verträglicher Bestimmungen angehören. Ein
solcher Gegenstand ist ein in räumlicher und zeitlicher Bestimmtheit
bestehendes Einzelding. Es existirt als Träger eines keiner Er-
gänzung oder Erweiterung fähigen Vereins von Einzelbestimmungen.
Demgemäß ist jeder Denkgegenstand entweder ein Einzelding oder
er wurzelt in Einzeldingen, sofern er auf einer irgendwie begrün-
deten Abgrenzung von Bestimmungen an Einzeldingen beruht. Die