Page 129 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Einleitung in die allgem. Theorie d. Mannigfaltigkeiten v. Bewusstseinsinhalten. 117
nichts anderes als ein nicht gedachter Gegenstand, da jedem Ge-
dachten nothwendig eine durch das Denken erzeugte Bestimmung
anhaftet. Zu jedem Denkakte gehört daher eine bestimmte Thätig-
keit und ein bestimmter Gegenstand des Denkens, die untrennbar
aneinander gebunden sind, so dass der Erfolg des Denkens in der
Bestimmung seines Gegenstandes und die Bedeutung des Gegen-
standes in der durch das Denken erzeugten Bestimmtheit besteht: die
Denkthätigkeit und der Denkgegenstand bestimmen sich wechselweise.
Liegen nun mehrere Denkakte vor, so bietet jeder einzelne eine
bestimmte Denkthätigkeit und einen bestimmten Denkgegenstand dar.
Man muss daher zunächst ebenso viele verschiedene Thätigkeiten und
Gegenstände des Denkens anerkennen, als Denkakte unterschieden
werden. Denn gleiche Thätigkeiten würden gleich bestimmte Gegen-
stände und gleiche Gegenstände würden die nämliche bestimmende
Thätigkeit voraussetzen, so dass die Denkakte selbst nicht unter-
scheidbar wären. Die verschiedenen Denkakte bestehen indessen
zusammen. Dabei bleiben zwar die in ihnen vorhegenden Thätig-
keiten und Gegenstände des Denkens in ihrer Bestimmtheit erhalten.
Denn die Denkakte werden vollzogen, ohne dass sie einander beein-
flussen und etwa zu einem neuen Denkakte verschmelzen. Die
Thätigkeit des einen Denkaktes ^vird demgemäß ohne Bücksicht auf
die Thätigkeit eines anderen Aktes ausgeführt, so dass auch die
verschiedenen Bestimmungen, welche die Denkakte darbieten, neben
einander sich behaupten. Es zeigt sich aber, dass die in den Denk-
akten gegenständHch vorHegenden Bestimmungen entweder zusammen
gehören oder zusammenhangslos bestehen und im letzteren Falle
entweder mit einander verträglich sind oder einander widerstreiten.
Dies kann nicht in dem Zusammenbestehen der Denkakte be-
gründet sein. Denn es müssten alsdann je zwei zusammenbestehende
Denkakte auch stets in gleicher Weise zusammengehörige oder mit-
einander verträgUche Bestimmungen enthalten. Sie könnten hingegen
nicht — wie es in Wirkliclikeit der Fall ist — ebensowohl zusammen-
hängende oder vereinbare wie auch zusammenhangslose oder unver-
einbare Bestimmungen darbieten. Die Zusammengehörigkeit und
Vereinbarkeit von Bestimmungen ist dämm neben dem Vollzug
derselben in zusammenbestehenden Denkakten als eine besondere
Thatsache anzuerkennen.