Page 133 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Einleitung in die allgem. Theorie d. Mannigfaltigkeiten v. Bewusstseinsinhalten. 121

    Gesammtheit der Einzeldinge, welche der nämlichen Bestimmungen
    theilhaftig sind, bilden — nach der üblichen Bezeichnungsweise —
    den Begriffsumfang  für den   durch  jene Bestimmungen   definirten
    Gregenstand.
                                    4.
        Man kann nun auch von den      selbständig  existirenden Einzel-
    dingen  aus  wieder zu den   in  jenen  wurzelnden  unselbständigen
    Gegenständen weiterschreiten und zuletzt zu den gegenständlich vor-
    liegenden Einzelbestimmungen des Denkens gelangen.    Das Einzel-
    ding wird dann zwar als gegeben hingenommen ; es erweist sich aber
    als  ein Verein  zusammengehöriger,  in Denkakten   hervortretender
    Bestimmungen.    Man wird   so auch auf diesem Wege zur Anerken-
    nung der beiden Thatsachen geführt, dass in jedem Denkakte     die
    Denkthätigkeit und der Denkgegenstand    sich wechselweise bedingen
    und bestimmen, und dass die in zusammenbestehenden Denkakten voll-
    zogenen Bestimmungen Vereine bilden,   die  in mehrfach bestimmten
     Gegenständen ihre Träger finden.
        Das Einzelding ist wegen der zeitlichen und räumlichen Bestimmt-
     heit,  in  der  seine Besonderung und Vereinzelung ihren Ausdruck
     findet, ein vorstellbarer Gegenstand: es ist das >Vorstellungsobject«
     im Sinne Wundt'si), >das mit der Eigenschaft Object zu   sein alle
     anderen Eigenschaften  der Vorstellung  in sich  vereinigt«, wonach
     Vorstellung und Object   oder Denkthätigkeit und Denkgegenstand
     nicht  »ursprünglich von  einander  verschiedene  reale Thatsachen«,
     sondern  »ursprünglich  eines«  sind, wonach femer die Annahme un-
     zulässig  ist,  »dass das Erkennen selbstthätig seine Objecte hervor-
     bringe, oder dass  es  ein passives Aufnehmen und Nachbilden un-
     abhängig  bestehender  Objecte  sei«  ,  und  vielmehr  die  Thatsache
     anerkannt werden muss, dass es »kein Object gibt, dem die Eigen-
     schaft fehlen könnte denkbar zu sein, und dass es keine Denkhand-
     lung  gibt,  die  nicht ein Object als unveräußerlichen  Bestandtheil
     einschließt«.
        Die obigen, aus der Reflexion über den Denkakt und das Zu-
     sammenbestehen von Denkakten gewonnenen Ergebnisse stehen somit
     in Einklang mit der Feststellung des Ausgangspunktes der Erkenntniss
     in Wundt's System der Philosophie.

         1) System der Philosophie; 2. Aufl. 1897; S. 97.
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