Page 150 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Gottl. Friedr. Lipps.
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           Es lassen sich nun zwei Arten empirischer Zusammengehörigkeit
        von Bestimmungen und    hiernach zwei Arten von   IJntersuchungs-
        gegenständen unterscheiden.
           Einerseits gehören Bestimmungen zusammen, wenn    die eine zu-
        gleich  mit den anderen  erfasst wird.  Man kann alsdann von der
        einen bloß unter Abstraction von den   anderen reden.   Wird  die
        Abstraction  vollzogen,  so  lässt sich jede  einzelne Bestimmung  als
       Inhalt des Bewusstseins bezeichnen.  In Wirklichkeit liegen jedoch
        zugleich die anderen vor; sie können nur bei der Beurtheilung außer
        Acht gelassen werden. Um    diesen Sachverhalt zum Ausdruck zu
       bringen,  soll nicht jede für sich der Beurtheilung zugängliche Einzel-
        bestimmung,  sondern  lediglich der in einem Akte  des erfassenden
        Denkens thatsächlich vorliegende Verein zusammengehöriger Bestim-
        mungen ein Bewusstseinsinhalt genannt werden.       Die Bewusst-
        seinsinhalte sind somit die Untersuchungsgegenstände erster Art.
           Anderseits gehören Bestimmungen zusammen, auch wenn      sie in
        verschiedenen Akten des Erfassens gegeben sind und demnach    ein
        System von Bewusstseinsinhalten bilden,  falls nur die letzteren sich
        der Erfahrung zufolge als zusammenhängend darbieten.  Die Unter-
        suchungsgegenstände zweiter Art sind folglich die verschiedenartigen,
        den Zusammenhang des Erlebten bedingenden Vergesellschaftungen
        von Bewusstseinsinhalten.
           Es sind demgemäß sowohl    die Beziehungen, welche in der Be-
        schaffenheit  der  Bewusstseinsinhalte begründet  sind,  als auch  die
        Gesetzmäßigkeiten des Zusammenhangs, in welchem die Bewusstseins-
        inhalte erlebt werden, zu erforschen.
           Von dem weiten Untersuchungsgebiete, das sich so eröffnet,  soll
        indessen hier nur ein kleiner Theil betreten werden.  Denn ledigHch
        die Bewusstseinsinhalte selbst, nicht ihre Vergesellschaftungen kommen
        in Betracht und  es  soll überdies bloß eine empirisch zulässige und
        logisch  begründete Auffassungsweise  derselben  entwickelt werden,
        die  eine Ableitung  der erfahrungsgemäß  bestehenden Beziehungen
        ermöghcht und   so den Zugang zu    der  allgemeinen  Theorie  der
        auf Grund jener Beziehungen in   sich zusammenhängenden Mannig-
        faltigkeiten von Bewusstseinsinhalten eröffnet.
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