Page 47 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
P. 47
Das Inertialsystem vor dem Forum der Naturforschung. 35
oder jkeinen Kräften unterliegen'. Nach unserer Zergliederung der im
Beharrungsgesetz vorhandenen Gredanken können jene Beschränkungen
nur bedeuten ,ohne räumliche Beziehung zu anderen Massen', weil
sonst unser Gesetz zu einer leeren Selbstverständlichkeit entartet« '^j.
In verwandtem Sinne äußert sich auch H. Kleinpeter (1900):
Die von Lange aufgestellten Definitionen und Theoreme >sind
jedenfalls geeignet, die wirkliche Bedeutung des Trägheitsgesetzes in
ein helleres Licht zu rücken; als einwurfsfrei und als eine endgültige
Lösung können sie jedoch nicht betrachtet werden. Einmal ist es
schwer einzusehen, wie eine praktische Bestimmung des Coordinaten-
systems durchzuführen wäre, die ja doch möglich sein muss, wenn
das Gesetz irgend welchen Werth haben soll; dann ist dasselbe auch
in rein theoretischer Beziehung keineswegs correct formulirt. Es
fehlt nämlich eine Bestimmung darüber, was man unter ,sich selbst
überlassenen Punkten' zu verstehen habe. Ob ein Punkt als ein
solcher zu betrachten ist oder nicht, lässt sich ja durch keine ander-
weitige Erfahrung feststellen. Wenn aber der Ausdruck so viel
bedeuten soll, als von Kräften unbeeinflusst, so ist, da ja dies nur
nach dem Trägheitsgesetze beurtheilt werden kann, der Cirkel offen-
bar, und die Hauptschwierigkeit bleibt bestehen« ^ß).
Zunächst muss ich auf diese Einwendungen erwidern, dass ich
über die große Schwierigkeit, die eine scharfe begriffliche Erklärung
der Bedingung des »Sich-selbst-überlassen-seins« darbietet, schon früher
sehr eingehend nachgedacht habe, und dass der Vorwurf Johannes-
so n's, dieser Begriff werde irrthümHcher Weise >als etwas Selbst-
verständliches« vorausgesetzt, mir gegenüber ungerechtfertigt ist.
In meiner allerersten Arbeit über das Beharrungsgesetz bin ich, wie
Jedermann nachlesen kann, in dieser Hinsicht den Vorschlägen von
Mach und Maxwell beigetreten, von denen der erstere bei Johan-
ne sson erwähnt und zwar abgelehnt, aber doch immerhin als ein
nennenswerther Versuch anerkannt wird^'). In meinen späteren
Arbeiten habe ich freilich diesen an andere Autoren sich anlehnenden
Standpunkt nicht aufs Neue festgelegt, weil er mir selbst nicht mehr
genügte; ich zog es vielmehr vor, die Frage einstweilen offen zu
lassen, einestheils um das, was mir zunächst die Hauptsache zu sein
schien, nicht durch verwirrendes Beiwerk zu verschleiern, andemtheils,
weil ich die ganz richtigen Ideen, die ich von der Sache hatte, noch