Page 42 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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30                        Ludwig Lange.

       verglichen mit denjenigen  vieler früherer Lehrgänge der Mechanik,
       einen ganz beträchtlichen Fortschritt bedeuten.
          Im Jahre 1891 hat  Gr. Frege unter dem Titel »Ueber das Träg-
       heitsgesetz«  eine eingehende Studie zu meinem  »Bewegungsbegriff«
       veröffentlicht 3).  Diese Arbeit hat zwar ihren Platz  in einer fach-
       philosophischen Zeitschrift gefunden, und enthält auch in der That
       viele beachtenswerthe philosophische Darlegungen; da indessen einige
       der Frege 'sehen Kriticismen mich zu Ergebnissen führen, welche —
       als Grundlage sich anschließender weiterer Erwägungen — am besten
       an  dieser  Stelle meines Aufsatzes Platz finden,  so  darf  die Be-
       sprechung der Frege'schen Studie hier nicht unterbleiben; um so
       weniger, als  sie die Arbeit eines Fachmathematikers  ist.
          »Was das heißt  ,ein Körper bewegt   sich'  oder  ,ist  in Ruhe',
       scheint so  klar zu sein,  dass  nichts zu erklären übrig bleibt.  Die
      unten genannte   lesenswerthe  Schrift  ist dazu geeignet,  aus  dieser
      falschen Sicherheit aufzustören und zu weiterem Nachdenken anzu-
       regen« ^7).  .  .  . »Wenn man eine Frage«, wie diejenige nach dem Be-
      zugssystem der Bewegungsgesetze, »nicht beantworten kann, so kann
       man  sie  wenigstens  hinter der Wolke  einer ungenauen Redeweise
      verschwinden lassen, was in unserem Falle besonders angenehm ist;
       denn wollte man  sie als offene behandeln,  so würde  die Grundlage
       der ganzen Physik zu schwanken scheinen« 67),  Weiterhin erwähnt
      Frege — in Uebereinstimmung mit mir und P. Johannesson^s) —
       dass  die Newton'schen Aufstellungen über Raum,     Zeit und Be-
       wegung  (als absolute Wesenheiten) bei ihrem Urheber theologisch
       begründet sind, eine Begründungsweise, die dem heute herrschenden
       Geschmack in der wissenschaftlichen Mechanik jedenfalls ganz und
       gar nicht zusage; auch  stellt er fest, dass Newton sich mit seiner
       Begründung des Trägheitsgesetzes im Kreise bewegt ß^).  Meine Be-
       hauptung, dass Newton's absoluter Raum und absolute Zeit nicht
       einmal nothwendige Uebel, sondern überflüssige Producte des »esprit
       metaphysique«  sind, hält gleichwohl Frege für über das Ziel hinaus-
       geschossen; er beruft sich hierbei auf die empirische Ausstattung,
       die den »absoluten Raum mit den wahrnehmbaren Erscheinungen in
       Zusammenhang« bringe ^9), indem nämlich das Trägheitsgesetz mit Be-
       zug auf ihn ausgesprochen werde. Diese empirische Ausstattung ermög-
       liche es sehr wohl. Aussagen über die Bewegungen zu dem absoluten
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