Page 37 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Das Inertialsystem vor dem Forum der Naturforschung. 25
dem Besten zu gehören, was über die vorliegenden Fragen gearbeitet
worden ist«. Es folgt eine ziemlich ausführliche Darlegung meiner
Vorschläge. Dann fährt Mach fort:
»Zunächst soll nicht bestritten werden, dass man das Trägheits-
gesetz auf ein derartiges E^um- und Zeitcoordinatensystem beziehen
und so ausdrücken kann. Eine solche Fassung ist wohl für die
praktische Anwendung weniger geeignet als die Streintz'sche^ö),
dagegen der methodischen Yoi-züge wegen ansprechender. Mir per-
sönlich ist sie besonders sympathisch, da ich mich vor Jahren mit
analogen Versuchen beschäftigt habe, von welchen nicht etwa Anfänge,
sondern Reste stehen gebheben siud. Ich habe diese Versuche auf-
gegeben, weil ich die Ueberzeugung gewonnen habe, dass man durch
alle diese Ausdrucksweisen (so auch durch die Streintz'sche und
die Lange 'sehe) nur scheinbar die Beziehung auf den Fixstem-
himmel und den Drehungswinkel der Erde umgeht«. . . >Es scheiut
sehr fraglich, ob ein vierter sich selbst überlassener materieller
Punkt in Bezug auf ein Lange 'sches , Inertialsystem ' eine Gerade
(gleichförmig] durchlaufen würde, sobald der Fixstemhimmel nicht
vorhanden, oder nur nicht mit genügender Genauigkeit als unver-
änderlich anzusehen wäre«.
"Wenn ich Mach recht verstehe, so rechnet er beispielsweise mit
der Möglichkeit, dass in einem entfernteren Sternhaufen die dyna-
mischen Bezugssysteme zu denjenigen unseres Fixstemcomplexes
irgendwie gedreht sein könnten. Er hält es eben principiell für
mögHch, dass die Geradlinigkeit der Bahnen sich selbst überlassener
Punkte relativ zum Fixsternhimmel nicht ledigHch phoronomisch,
sondern zugleich auf irgend eine physikalische Ali, und Weise durch
die Lagen der Fixsternmassen bedingt sei. Beide MögHchkeiten sind
im Princip zweifellos zuzugestehen ^^), und es wäre ein unverzeilüicher
Starrsinn, wollte man die von mir vorgeschlagene Fassung des Be-
harrungsgesetzes in dem Sinne ausdeuten, dass Forschungen über das
Zutreffen oder Nichtzutreffen der von Mach betonten EventuaHtäten
von vornherein unterbunden würden. So habe ich meine Formulirung
auch niemals gemeint. Indessen, das muss doch bei dieser Gelegen-
heit sogleich betont werden, dass der bisherige Stand der physikalisch-
astronomischen Erfahrung und Theorie keinen Anhaltspunkt ergeben
hat, um Mach's Vermuthungen zu stützen. Der historisch -kritisch