Page 108 - Geschichte des Kostüms
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RUSSLAND
XVI. UND XVII. JAHRHUNDERT
Die Fähigkeit der Russen war seit alters das Russifizieren. Wie die so eigen-
artig und „spezifisch russisch" anmutende Architektur nebst ihren Dekorationen ein
Konglomerat von Entlehnungen aus Skandinavien. Byzanz, Oberitalien und Asien ist,
das der Mannigfaltigkeit der im Russenreiche früh zusammenkommenden Verkehrs-
und Handelsbeziehungen entspricht, so steht es ganz ähnlich mit der reicheren Tracht.
— Seit Peter dem Großen, der auch seinem Petersburg baulich von vornherein den
westeuropäischen Charakter einpflanzte, ist dann die Tracht, durch die vielteilige
Einwirkung des Herrscherwillens auf Uniformen und Uniformierungen sowie auf die
Kleidung der oberen, höfischen Stände, erheblich unter den westeuropäischen Ein-
fluß gekommen. Beim Volk dagegen dauern vielfach noch die alten einfachen,
leinenen und stickereigeschmückten slawischen Kostüme fort. Andernteils sind, wie ja
alle Modekleidung den Weg von den oberen zu den einfacheren Ständen nimmt, die
geschichtlichen russischen Prunkkostüme heute — bei vorhandenen Mitteln — zu
Festkleidungen der russischen Heimatstracht geworden, die an Pracht und Mannig-
faltigkeit von Brokat, Pelz, Schmuckgehängen, perlen- und glasbestickten Kopf-
bedeckungen in altertümlichen Formen alle übrigen in Europa überbieten.
Zugrunde liegt der russischen Männertracht des i6. und 17. Jahrhunderts der
Leibrock, der bis zum Gürtel vorne geschlitzt und knöpfbar ist; ihm entspricht noch
in der Gegenwart das so allgemein von den Männern als einfacher Kittel getragene
farbige Hemd. Dazu kamen Beinkleider, die man in die hohen Stiefel steckte. Die
über dem Leibrock getragenen russischen Oberkleider jener Jahrhunderte halten
sich zwischen den Formen des morgenländischen Kaftans und der abendländischen
Schaube. Sie werden gegürtet, wie sonst der Leibrock, oder durch Schnüre und
Knöpfungen geschlossen, oder sie bleiben mantelartig offen, um die darunter noch
befindlichen guten Gewänder, die ebenfalls Oberkleider sind, zu zeigen. Als Stoff:
Brokate, Damast, Tuch, viel Pelzbesatz. Zylinderförmige Kopfbedeckungen ohne
Rand, und kegelförmige, im letzteren Fall meist von Pelzrand umzogene Mützen.