Page 22 - Geschichte des Kostüms
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                                            FRANKREICH

                     ZWEITES VIERTEL DES XVII. JAHRHUNDERTS







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                   Zwischen der spanischen Modeherrschaft und der mit Ludwig XIV. beginnenden
            französischen  liegt  die  Periode,  da auf das Kostüm am meisten        ein Einfluß von
           Deutschland geübt wird.      Oder richtiger durch dessen soldatische Kostümtraditionen;
           es  ist die Zeit des Sojährigen Krieges, und die Mode dieser Zeit kennzeichnet sich,
           oberflächlich gesagt, dadurch, daß eigentlich alle Männer so,     als kämen   sie aus dem
           Feldlager, aussehen.   Etwas anders drückt es die Ironie eines damaligen Zeitgenossen
           aus,  der,  befragt nach seinem Aufenthalt in der französischen Hauptstadt und nach
           den Parisern,   antwortete:  er habe die Pariser wohl gesehen,      wisse aber nicht,   ob
           sie noch da seien,   sie hätten  alle ausgesehen,  als wollten  sie verreisen.
                   Zur Vorgeschichte dieser Tracht,     die sich mit auf Frankreich erstreckt,   sind
           also auch die Texte zu den Tafeln        für Deutschland   (insbesondere  19 5  u.  flgd.) zu
           vergleichen.
                   Der Stiefel hat sich sieghaft gegen den Schuh durchgesetzt;       jetzt  ist er das,
           was   fein  ist und Ansehen gibt.   Deshalb aber büßt er geckenhaft seinen sachHchen

           Zweck auch schon wieder ein.        Er sinkt vom Knie nach abwärts und knittert sich
           faltig ein, jedoch die großen Stulpen und die Anschnallsporen mit dem breiten Leder-
           blatt auf der Schnalle dürfen nicht fehlen.     Die halbpludrige Schlumperhose     ist nun
           der gerade genügend weiten Hose       gewichen,   die ohne Ausstopfungen     bis ans Knie
           oder etwas darüber fällt. Um i63o ist auch die neue Weise des Kragens entschieden,
           er  liegt nach den Schultern hin an, schmäler,    breiter, spitzenverziert,  je nach Stand
           und Stutzerhaftigkeit.   Das Haar    flattert  regellos,  der Bart wird im Durchschnitt
           kleiner,  als der ,,Wallensteiner" in Deutschland, getragen, ein nur noch zum künftigen
           Schwinden bestimmtes Bärtchen an Ober- und Unterlippe.          Man nennt es ohne jede
           Porträtberechtigung „Henri IV.", ein rechtes Beispiel für die Oberflächlichkeit, womit
           der Modejargon     seine Ausdrücke    aufgreift,  und  für  die  Unkritik, womit  sie  das
           Publikum sich aneignet.     Heinrich IV. trug einen, kräftigen, halblangen Vollbart.
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