Page 16 - Magazin_Bildungswerkstatt_2_feb2021
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PSYCHOLOGIE









         KEINE ANGST VOR DEM


         ELTERNABEND




        Ängste sind Emotionen, die bei einer Bedrohung – aber auch bei der blossen Vorstellung
        davon – bei vielen Tieren einschliesslich des Menschen auftreten. Sie gehören ganz klar zum
        Leben, sie begleiten – und beschützen uns.

                                 Von Anton Wagner, Diplompsychologe, IT-Teamleiter bei kiknet




        Allgemeine – sehr menschliche – Anmer-               bei nicht realen, eingebildeten Gefahren in uns.
        kungen                                               Wir fürchten oder ängstigen uns. Sie engen dabei
                                                             die eigenen Freiheiten zum Denken und Handeln
        Als  grundlegende  stammesgeschichtlich her-         ein, weil wir auf Angst aus innerem Antrieb eben
        ausgebildete  Warn-  und  Schutzfunktion  trei-      sofort, instinktiv reagieren möchten. Das kann
        ben  Ängste  zur  Flucht  oder  aktiver  (Angriff)   ebenso gefährlich sein, wie eine reale Bedrohung.
        wie auch passiver Vermeidung  (Verstecken,           Solche Ängste gaukeln Gefahren vor, wo es objek-
        Totstellen) von Situationen an, die Schmerz,         tiv betrachtet sinnvoller erscheint, sich mit Mut,
        Verletzung und Tod zur Folge haben können.           Vertrauen, Erkenntnis und Hoffnung den Ängsten
                                                             bzw. den vermeintlichen Gefahren zu stellen – vor
        Diese emotionalen Impulse erfordern immer            allem beim Elternabend!
        eine  schnelle  Reaktion  auf  Gefahren.  Angst
        tritt aber nicht nur in realen Gefahrensitua-        Auswirkungen und Folgen für den Elternabend
        tionen auf, sondern immer, wenn wir uns in
        einer  Situation  befinden,  der  wir  nicht  oder   Höflichkeit kann lähmen: Eine zu grosse Empa-
        noch nicht gewachsen sind.                           thie für andere Menschen kann dazu führen, dass
                                                             die  eigenen  berechtigten  Wünsche  und  Bedürf-
        Denn Angst ist einerseits Signal und Warnung         nisse in den Hintergrund treten und die Wünsche
        bei Gefahren, sie enthält aber auch die Auffor-      und  Bedürfnisse  anderer  Menschen  oft  in  un-
        derung  zu  handeln.  Sofort! Was aber, wenn         gerechtfertigter Weise als vorrangig angesehen
        dies nicht möglich ist? Ängste schlagen sich         werden. Für Lehrpersonen könnte  es die Frage
        sowieso in starken körperlichen Reaktionen           aufwerfen:  «Bin  ich  als Lehrperson  nicht  immer
        nieder. Ist aber die Möglichkeit, den Angstzu-       verpflichtet, mir alles anzuhören und wertzuschät-
        stand nicht unmittelbar beenden zu können,           zen, was die Eltern sagen?» Es sei, so wird immer
        eingeschränkt, wird der Eindruck persönlicher        wieder argumentiert, eine Frage der Höflichkeit,
        Hilflosigkeit extrem verstärkt – aus Herzklop-       den Eltern mehr Raum zu geben als sich selbst. Es
        fen wird Herzrasen, aus leichter Wärme Hitze         scheint oft so, als sei die Lehrperson  auch dann
        mit starkem Schwitzen,  aus ungutem  Gefühl          noch  zu  wohlwollender  Empathie  verpflichtet,
        Schwindel,  Brechreiz oder sogar Ohnmacht,           wenn Eltern mit ihren Äusserungen deutlich ma-
        wie auch Hassgefühle und starke Aggression           chen, dass sie die persönlichen Grenzen – sowohl
        resultieren können.                                  ihrer Kinder als auch der Lehrperson – missach-
                                                             ten und im Gespräch mit der Lehrperson mit of-
        Ängste  entstehen  also  bei  realen, wie  auch      fenen und angedeuteten Provokationen Grenzen
                                                             austesten.




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