Page 46 - Was Menschen wirklich wollen
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Vogelhuber, Scheelen – Was Menschen wirklich wollen  2 – Profiling¹: „Wer bin ich?“ – Von den Vorteilen der Selbsterkenntnis

                 Wer bin ich? Nicht mein Vater!


                 Meine gesamte Familie war und ist IKEA-Fan. Darin waren wir uns ei-
                 nig – die Möbel sind einfach praktisch und klasse. Weniger einig wa-
                 ren mein Vater und ich uns, wenn es um den Aufbau eines IKEA-Mö-
                 belstücks ging. Wir haben uns dabei regelmäßig gestritten, verkracht
                 und in den Haaren gelegen. Und das geschah leider ziemlich oft. Wa-
                 rum war das so?

                 Nun, mein Vater baute zum Beispiel den IKEA-Schrank nach Anleitung
                 auf: das Paket öffnen, die Teile ordnen, prüfen, ob etwas fehlt, dann
                 Schritt für Schritt vorgehen. Mir war das zu langweilig und spießig. Ich
                 verließ mich lieber auf mein Bauchgefühl und meine Intuition. Das
                 würde doch viel schneller gehen – und vor allem mehr Spaß machen!
                 Wobei sich dann zuweilen zeigte, dass beide Wege zum Ziel führten,
                 aber auch zu Problemen, wenn auch zu unterschiedlichen.

                 Worum es mir dabei vor allem geht: Hätte ich seinerzeit schon ge-
                 wusst oder einschätzen können, dass unsere Streitigkeiten vor allem
                 durch die großen Unterschiede in unserer jeweiligen Persönlichkeits-
                 struktur entstanden, weil wir also so unterschiedliche Typen waren – hier
                 der „Schritt-für-Schritt-Aufbau“-Vater, dort der stürmische Sohn –, hätte
                 uns das viel Ärger erspart. Wir hätten dann vielmehr unsere jeweiligen
                 Stärken genutzt und eingesetzt, etwa indem mein Vater die unend-
                 lich vielen Möbelteile sortiert und strukturiert bereit gelegt und ich
                 mithilfe meiner Intuition, Erfahrung und Begeisterung mehr Zeit und
                 Energie in den Aufbau investiert hätte. Und vielleicht wäre ich dann
                 sogar in der Lage gewesen, meinen Drang zur Impulsivität etwas zu-
                 rückzufahren und mich anzupassen, um meinem Vater entgegen zu
                 kommen.


                 So aber kam es, dass mein Vater nicht nur dachte, sondern zum Aus-
                 druck brachte: „Oh je, was soll aus dem Jungen nur werden, der wird


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