Page 133 - Brot backen - wie es nur noch wenige können
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Den Roggen bezieht Grabmer aus dem Waldviertel von einem zertifizierten Bauern. Dort wächst
der beste, sagt er und weist auch noch auf ein Nischenprodukt hin, den Tauernroggen aus dem
Lungau, der besonders kälteresistent ist. „50 Tonnen werden dort produziert, das reicht nur für die
lokale Vermarktung, die Gesamtproduktion in Österreich liegt bei rund 200.000 Tonnen Roggen.“
Grabmer kennt sich aus, bis 2015 war er Landesinnungsmeister des Mühlengewerbes, aber nun
fordert Kurt Michlmair meine ganze Aufmerksamkeit. Gerade hat er mit einem feuchten Lappen an
einem Stock noch mal für die Reinigung des Ofens gesorgt und nun geht es los: Als übe er eine
asiatische Kampfsportart aus, tänzelt der große Mann vor dem Ofen, spannt den Oberkörper an und
mit der Entspannung gleiten die Teigstücke vom Schieber und landen genau dort, wo der Meister sie
haben will. Nun verstehe ich, was er meinte, als er sagte, man müsse den Ofen kennen. In der Mitte
herrschen die höchsten Temperaturen, die Teigstücke müssen verteilt und immer wieder umgepackt
werden. Die Kunst liegt in der Bewegung der Brote, die Herausforderung lautet: „Was liegt, das
pickt.“ Michlmair weiß genau, wann die Brote angebacken sind und wieder verschoben werden
können, auf dass neue ihren Platz finden. Er wechselt die Schieber, der längste misst vier Meter, mit
ihm bestückt er den hinteren Teil des Ofens, er bewegt die Brote wie ein Schachspieler souverän über
die Fläche.