Page 128 - Brot backen - wie es nur noch wenige können
P. 128
Dominanz der Festung erfordern: dezent pastellfarben, weiß, grau.
Der Verkehrslärm, das Klappern von Pferdehufen, Straßenmusikanten, Sprachengemisch – all das
gehört zur Kakophonie der Stadt. Nur eine hält sich recht still. Die Salzach. Wenn nicht gerade
Hochwasser ist und sie zeigt, dass sie auch anders kann, fließt sie ruhig und ohne akustisch auf sich
aufmerksam zu machen in ihrem Bett, eilig, aber geräuschlos, begradigt und von Menschenhand in
ihre Schranken gewiesen.
Um 5 Uhr früh ist Salzburg ganz still und der Kapitelplatz wirkt viel größer als am Tag, wenn sich
hier die Menschen drängen. Welcher Durchgang führt zum Ziel? Ich lasse mich von den Ohren leiten
und dann höre ich es: Rauschen, Klappern. So geleitet gelange ich in einen Innenhof, wo sich ein
mächtiges Mühlrad dreht. Das Wasser stürzt sich auf die Schaufeln, hier, in diesem engen Stadtraum,
gibt dieses Element den Ton an, bereichert die Melodie der Stadt. Wenig später wird es in die Salzach
fließen und dort verstummen.
Noch ist es dämmrig, aber wo ich hin will, ist Licht. Ein paar Stufen hinab, Wärme empfängt mich,
es riecht säuerlich, ich stehe in der Stiftsbäckerei. Sie gehört St. Peter, dem ältesten noch existierenden
Kloster im deutschsprachigen Raum. 696 wurde es von den Benediktinern gegründet, Ausgrabungen
unter dem Altar der Stiftskirche beweisen, dass hier bereits im 5. Jahrhundert eine Kirche stand.
Wie weit zurück in die Geschichte führen diese paar Schritte? Ganz sicher sind es 800 Jahre,
solange gibt es diese Bäckerei schon. Man darf aber getrost auch bis zu den Anfängen des Klosters
zurückschreiten: Die Benediktiner leben nach dem Grundsatz „ora et labora“ (bete und arbeite) und
zum Arbeiten gehörten früher alle Tätigkeiten, die zum Überleben der Gemeinschaft beitrugen: Die
Ordensmänner waren Landwirte, Handwerker, Viehzüchter, Gärtner, Köche und natürlich auch
Bäcker. Diese Tätigkeiten wurden meist von den Laienbrüdern ausgeübt, die zwar Mitglieder des
Ordens waren, aber keine Priesterweihe empfangen hatten. Das tägliche Brot, um das sie Gott baten,
mussten die frommen Männer im Frühmittelalter selbst produzieren: vom Anbau des Getreides bis
zum Backen. Erst im weiteren Verlauf des Mittelalters übernahmen Bauern einen Großteil der
landwirtschaftlichen Arbeiten. Sie bewirtschafteten das Land des Klosters, genossen dessen Schutz
und alimentierten ihren Grundherrn. Bis 1848 lieferten die Bauern den Zehent ab, das heißt 10 Prozent
dessen, was sie erzeugten – Vieh, Getreide, Gemüse etc. –, bekam das Kloster. Verarbeitet wurde das
Getreide innerhalb der Klostermauern, hier stand die Mühle, die Bäckerei.
Heute gehören 21 Mönche und circa 80 Angestellte zur Klostergemeinschaft von St. Peter, die
Stiftsbäckerei ist verpachtet. In ihr schalten und walten Franz Grabmer, Müller- und Bäckermeister
und Pächter, und der Bäckermeister Kurt Michlmair, der Herr über den Teig und den Ofen. Unterstützt
wird er von einem jungen Kollegen, dem Gesellen Cagatay Önder. Michlmair arbeitet seit mehr als
20 Jahren in der Stiftsbäckerei und hätte, so sagt er, als Angestellter des Klosters sogar das Recht,
dereinst auf dem hübschen Friedhof St. Peter zu ruhen, der direkt an die Bäckerei grenzt. Aber das
will er nicht, „weil da hätt i ka Rua“.