Page 123 - Brot backen - wie es nur noch wenige können
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„Das Brot der frühen Jahre ...“


     Bei  all  diesen  Hilfs-  und  Zusatzstoffen  wurde  natürlich  nicht  überprüft,  was  mit  ihnen  bei  der
  technologischen Beanspruchung geschieht. Unterschiedliche Phosphate kommen zum Einsatz, die die
  fein abgestimmte Wechselwirkung in unserem Stoffwechsel beeinträchtigen. Der Teig muss sich der
  industriellen  Geschwindigkeit  anpassen,  und  dazu  dient  Calciumphosphat  (E  341).  Dieses  setzt  mit
  Natron  Gasbläschen  frei.  Natrium-Pyrophosphat  zerfällt  bei  ca.  60  Grad  Celsius,  setzt  dann
  gleichfalls in einer chemischen Reaktion mit Natron Kohlendioxid frei, und das bläst den Teig so
  wunderbar auf. Was bei Ihnen den Eindruck der hohen Backkunst erzeugt, ist schnöde Chemie.
     E 341 steht weiterhin im Verdacht, Ungeziefer wie Motten und Kornkäfern den Garaus zu machen.
  Dieses  Phosphat  kann  Backmischungen  beigefügt  sein.  Was  für  Ungeziefer  letal  ist,  muss  für  uns
  doch  nicht  bedenklich  sein.  Den  Einsatzmöglichkeiten  der  Hilfs-  und  Zusatzstoffe  ist  kaum  eine
  Grenze gesetzt.
     Aufgrund der lauter werdenden Kritik an Emulgatoren durch Medien und Endverbraucher werden

  von  den  Backmittelfirmen  heutzutage  immer  mehr  Enzyme  eingesetzt.  Diese  Enzyme  beherrschen
  alles, was das Industrieherz begehrt. Das Produkt bleibt länger weich und lange frisch, die Kruste
  wird besonders knusprig.
     Ob Enzyme besser sind als Emulgatoren kann ich nicht beurteilen, aber selbst die Backmittelfirmen
  geben zu, dass man über Enzyme eigentlich weniger weiß als über Emulgatoren. Und noch etwas ist
  zu  beachten:  Enzyme  scheinen  zwar  natürlich,  sie  werden  aber  in  der  Regel  von  gentechnisch
  veränderten Mikroorganismen produziert, denn das ist wesentlich billiger, als die Enzyme etwa aus
  Hefen und Pflanzen zu extrahieren.
     Die Mischung aus diversen Enzymen bezeichnen die Backmittelfirmen als Enzymcocktail, dieser
  habe die gleiche Wirkung wie Emulgatoren. Doch was viel besser ist: Enzyme müssen nicht deklariert
  werden, da sie im Enderzeugnis keine technologische Wirkung mehr ausüben.
     Unbekannt  ist  derzeit  noch,  was  diese  Enzyme  im  Menschen  bewirken.  Bewiesen  sind  bereits
  Enzymallergien  bei  Bäckern,  denn  jedes  Protein  kann  Allergien  auslösen.  Vermutlich  finden  sich
  heute  kaum  noch  ein  Brot  und  noch  weniger  ein  Gebäck,  das  nicht  unter  Enzymeinsatz  gebacken
  wurde.
     Verstehen Sie jetzt, warum ich noch immer auf der Suche nach dem Brot meiner Kindheit bin?
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