Page 118 - Brot backen - wie es nur noch wenige können
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Der Bäcker, ein



                                  GENUSSPRODUZENT



                                       VON PROF. DR. WALTER FREUND



            „Warm schmeckt immer“ lautet eine Weisheit, die heute jeder

         Backwarenverkäufer berücksichtigt, doch das allein ist noch keine

        Kunst! Gebäck und Brot sollen auch dann einen bleibenden Genuss

            vermitteln, wenn sie erst später am heimischen Tisch verzehrt

                                                        werden.








































  Die Kunst des Bäckerhandwerks besteht darin, alle Brotsorten und Weckerln so herzustellen, dass

  sie lange eine rösche Kruste, noch länger eine weiche, saftige Krume aufweisen und auch abgekühlt
  mit einem deutlich merkbaren Aroma nicht nur die Nase und den Gaumen erfreuen, sondern auch den
  Raum mit einer besonderen Duftnote erfüllen. Doch das gelingt leider nicht jedem Bäcker. Zu viele
  glauben  immer  noch,  die  schnelle  Teigführung  reiche  aus,  um  die  Kunden  satt  zu  machen.  In  der
  7.000-jährigen Bäckergeschichte war das vielleicht zwischen 1950 und 1990 richtig, als man meinte,
  mit viel Chemie auf Vorteige verzichten zu können. Heute ist der Bäcker jedoch ein Genussproduzent,
  egal, ob seine Produktionsstätte klein oder groß ist.
     Wie gelingt es den Bäckern, Genussproduzenten zu werden? Wie bereits die 7.000 Jahre vorher
  auch: den Teig lange reifen lassen, damit die Mikroorganismen (Hefen und Sauerteigbakterien) sich
  entwickeln und vermehren können, genau wie beim Wein, Käse, Schinken oder Bier. Dabei wird nicht
  nur für die notwendige Lockerung gesorgt, sondern es werden auch viele Aromastoffe produziert
  und das Mehl wird enzymatisch so optimiert, dass Kruste und Krume Nase und Gaumen verwöhnen.
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