Page 120 - Brot backen - wie es nur noch wenige können
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AUF DER SUCHE NACH DEM
BROT MEINER KINDHEIT
In meinen Kindertagen war das Himmelreich auf Erden die
Backstube des Dorfbäckers. Der unbeschreibliche Duft, der von ihr
ausging, trieb mich als Kind willenlos in sie hinein, in die
Backstube, in der ein sagenhaftes Durcheinander herrschte.
Mittendrin der massige Bäcker, schwerfällig reicht er den Kunden
sein Brot, mürrisch, wortlos, gar feindselig.
VON WERNER LAMPERT
Der Bäcker war der Vater von meinen Schulfreunden, aber nichts deutete daraufhin – kein Wort,
keine Geste, kein Aufblitzen der Augen –, er gab mir einfach das backwarme, himmlische Brot. Kaum
hielt ich das Brot, sein Brot in meiner Hand, entschwanden all meine Sorgen, mein Kummer, von dem
ich reichlich hatte. Der Laib Brot in meiner Hand, der unglaubliche Duft, der ihm entströmte, wirkte
wie ein Zauber auf mich, verzauberte mich. Nicht ein einziges Mal brachte ich das Brot nach Hause,
ohne die Krume nach und nach abzureißen und zu verschlingen. Zu Hause angekommen sah der Laib
schrecklich aus, als wäre ein Haufen Nager über ihn hergefallen. Selbstverständlich wurde ich
beschimpft und bedroht, vergebens, nichts half, ich brachte das Brot niemals unversehrt heim.
Dieses Brot war mir Labsal und besänftigte mein Herzeleid, es war mir Seelennahrung. Ich war
ihm als Kind verfallen. Es war Tag für Tag das fantastischste Geschenk für mich und der beste