Page 144 - Brot backen - wie es nur noch wenige können
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Wiese.
Sie wurden und werden entweder im Ganzen verarbeitet, grob gemörsert oder zu feinem Pulver
vermahlen. Ihre Wirksamkeit erhöht sich, wenn sie unmittelbar vor der weiteren Verwendung
zerkleinert werden, denn dadurch können die heilenden und fördernden Wirkstoffe in die Speise oder
die Flüssigkeit übergehen. Allerdings sollte nicht auf Vorrat gemörsert werden, da die reichlich
vorhandenen ätherischen Öle durch Kontakt mit der Luft oxydieren. Dadurch geht ein Teil der
Heilkraft verloren.
Brote, Gewürze und ihre Heilwirkungen gehören kulturhistorisch betrachtet eng zusammen. Unser
„Pfefferkuchen“ führt das Würzmittel im Namen, ebenso wie das italienische „Panforte“ und das
französische „Pain d’epices“ immer noch die jeweiligen Bezeichnungen für Brot tragen. Diese
Gebäcke aus Roggenteig oder einer Roggen-Weizen-Mischung waren ursprünglich von
Ordensschwestern nach überlieferten Rezepten gebacken worden. Sie wurden mit teils äußerst starken
Gewürzmischungen zubereitet, enthielten jede Menge Zimt ebenso wie Pfeffer, Ingwer, Muskat,
Gewürznelken, Fenchel, Anis und vieles mehr.
Gewürzexpertin und Kochbuchhändlerin Nathalie Pernstich aus Wien hat sich auf die Spur dieser
Würzbrote begeben und ein mittelalterliches Rezept nachgebacken. Ihr Resümee: „Es wurde ja auch
Magenbrot genannt und galt als Medizin, die bei Bedarf verabreicht wurde. Für heutige Verhältnisse
schmeckt es wahnsinnig intensiv und ist ehrlich gesagt kaum essbar.“
Aber auch das alltägliche Brot in bäuerlichen Haushalten wurde stets gewürzt, um den schweren
Teig leichter verdaulich und länger haltbar zu machen. Dabei gab es auch regionale Unterschiede, so
verwendet man in Südtirol etwa seit jeher auch den Bockshornklee als Brotgewürz. Und man legte
natürlich großen Wert darauf, eine möglichst schmackhafte Mischung zu finden. Die dann meist nicht
gern verraten wurde. „Das waren immer so ein bisschen Geheimrezepte, die die Bäuerinnen nicht
gern preisgaben“, so Pernstich. Vier Basisgewürze fanden sich jedenfalls in fast allen Brotteigen:
Kümmel, Fenchel, Koriander und Anis.
Kümmel gilt dabei generell als „Charaktergewürz“ der deutschen und österreichischen Küche. Und
er ist auch eines der wenigen tatsächlich heimischen Gewürze in unseren Breiten. Sein heutiges
Verbreitungsgebiet reicht von Skandinavien bis in den Mittelmeerraum. Schon bei Ausgrabungen
mitteleuropäischer Pfahlbauten der Stein- und Bronzezeit wurde er gefunden, und die Ärzte der
griechischen und römischen Antike verwendeten ihn als Medizin gegen Verdauungsbeschwerden.
Praktischerweise war er auch immer als Wildpflanze vor der Haustüre zu finden.
Fenchel wiederum ist eher eine mediterrane Pflanze, die sich erst im Laufe der Jahrhunderte auf
den Weg nach Mittel- und Nordeuropa machte. Er wirkt beruhigend auf den Magen-Darm-Trakt und
ist vor allem in Süddeutschland und Österreich als Brotgewürz beliebt.
Der dritte im Bunde, Anis, ist wie Fenchel ein Doldenblütlergewächs mit langer Historie. In der
Antike würzte man sogar den Wein damit, heute ist Anis sowohl als Brotgewürz als auch in der
Weihnachtsbäckerei beliebt. Einst soll er auch Originalbestandteil des westfälischen Pumpernickels
gewesen sein.
Koriander schließlich schenkt uns intensiv-nussiges Aroma. Brotbäckerin, Buchautorin und Schul-
am-Berg-Gründerin Roswitha Huber bezeichnet ihn als „mein absolutes Lieblingsgewürz“. Er wird
auch „Brotkügerl“ genannt und fördert ebenfalls die Verdauung.
Und zuletzt noch ein Tipp von Gewürzexpertin Pernstich: „Senfkörner, die im Brot mitgebacken
werden, verlängern die Haltbarkeit.“