Page 147 - Brot backen - wie es nur noch wenige können
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WASSER
Wenn der Bäckermeister sagt, dass er „Spannung“ in den Brotteig knetet, dann hat das viel mit Gespür
und Handwerk zu tun. Und mit Physik. Denn dann beginnen sich die Bestandteile des Mehles in der
richtigen Weise mit dem Wasser zu verbinden. „Mehl besteht aus Stärke und Gluten. Die
Stärkemoleküle lösen sich im Wasser auf und bewirken, dass der Teig zusammenhält“, erklärt der
kulinarische Physiker Werner Gruber. Die Gluten – auch Proteine, Eiweiß oder Kleber genannt – sind
dagegen nicht wasserlöslich, sie sorgen für die Elastizität im Teiggerüst.
Darüber hinaus ist das im Teig enthaltene Wasser dafür verantwortlich, dass das Brot aufgeht. Es ist
in kleinen CO2-Bläschen, die durch den Gärprozess von Sauerteig oder Hefe entstehen,
eingeschlossen und verdampft ab 100 Grad Celsius, was den Teig lockert.
Eine Anmerkung dazu: In manchen Rezepten ist „Weizenkleber“ als Zutat angegeben. Den kann
man entweder im Fachgeschäft kaufen, Bäcker stellen ihn aber dank des eingangs erläuterten Prinzips
auch selber her: Einen Teig aus Weizenmehl, Wasser und etwas Salz kneten und rasten lassen. Dann
wird er „gewaschen“, das schwemmt die gelöste Stärke heraus. Übrig bleibt eine kaugummiartige
Masse, die getrocknet und vermahlen werden kann – der Weizenkleber.
LUFT
Das allgegenwärtige Element stellt auch für Brot eine lebenswichtige Basis dar. Luft sorgt für die
wilden Hefezellen und Milchsäurebakterien, die Sauerteig überhaupt erst entstehen lassen. Die
Mikroorganismen kommen praktisch überall auf der Welt in der Atmosphäre vor, sogar viele
Seemeilen vom Land entfernt mitten auf dem Meer oder in großer Höhe. Der Sauerstoff der Luft
bewirkt zudem, dass die Hefepilze wachsen und sich vermehren. Das mechanische Einarbeiten von
Luft in den Teig wird auch als „physikalische Lockerung“ bezeichnet – intensives Kneten macht Brot
schlicht und einfach „luftig“.
ERDE
Die Schicht zwischen Atmosphäre und dem festen Gestein des Bodens hat es in sich: alles, was wir
essen nämlich. Sie ist die Basis für den Anbau des Brotgetreides sowie sämtlicher anderer Pflanzen.
Sie existiert seit Millionen von Jahren, lässt Gräser, Bäume und Blumen gedeihen, speichert Wasser,
hält Nährstoffe bereit. Sie ist ein ausgeklügeltes System, in dem Millionen von Kleinstlebewesen
beständig dafür sorgen, dass der Laden läuft. Und sie kommt bestens ohne unser Zutun aus. Wir aber
nicht ohne sie. Seit etwa 13.000 Jahren betreibt der Mensch auf dieser Erde Ackerbau und lebt mit und
von ihr. Darum sollten wir sorgfältig mit unserer Grundlage umgehen und das empfindliche
Gleichgewicht nicht durch Eingriffe stören. Nur dann kann gedeihen, was in weiterer Folge Mensch
und Tier gedeihen lässt. Bis sich der Kreislauf vollendet – und alles Abgestorbene wiederum der Erde
als organische Nahrung dient.