Page 34 - Brot backen - wie es nur noch wenige können
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Setz’ dich in den Korb hinein!

                                    Wir bringen dich zum „Roten Turm“
                                     Und schupfen dich im Wellensturm.



                                             Bäckerlein, Bäckerlein,
                                         Steig’ nur in den Korb hinein!


                                       Wir tauchen dich ins kühle Nass.
                                       Auf dein Gewicht ist kein Verlass.



  Auch wenn es im 20. Jahrhundert keine so drakonischen Strafen mehr gab, die Politiker beschäftigten
  sich auch in der Moderne mit dem Grundnahrungsmittel Brot und mit denen, die es erzeugten. So
  sorgte eine junge Politikerin in München für „Bäckerbashing“, wie die „Münchner Abendzeitung“ am
  28.10.1959 berichtete: „Mit einem Dutzend Semmeln und einer Briefwaage kam Frau Dr. Hildegard
  Hamm-Brücher,  FDP-Abgeordnete,  gestern  in  den  Landwirtschaftsausschuss  des  Bayerischen
  Landtags. Sie forderte ein Mindestgewicht für Semmeln. Vor den Augen der Abgeordneten wog sie
  die  Semmeln  auf  ihrer  Briefwaage.  Die  leichteste  Semmel  wog  36,  die  schwerste  51  Gramm.  Die
  meisten Semmeln wogen etwa 40 Gramm. ‚Die Hausfrau erwartet für ihre acht Pfennig eine Semmel
  von  50  Gramm‘,  sagte  Frau  Brücher.  ‚Eine  Semmel  mit  40  Gramm  ist  eine  Übervorteilung  des

  Kunden. Der Bäcker hat dann an 100 Semmeln 20 übrig. Das verdient er extra.‘“



            DAS WAR GLÜCK, HEIMAT, WÄRME UND INNIGKEIT



                                 Franz Maier-Bruck, „Vom Essen auf dem Lande“


        Gebacken wurde alle vierzehn Tage (für 8-10 Erwachsene rechnet man etwa 25 Laibe). Aufs
     Brotbacken freuten wir uns schon Tage zuvor. Zuerst durften wir mit der Mutter in den Wald
     gehen, den „Bahwisch“ zu holen, grünes Tannen- oder Fichtenreisig, das zu einer Art Besen an
     einem  langen  Holzstiel  gebunden  wurde;  er  wurde  ins  Wasser  getaucht,  kurz  vor  dem
     „Einschießen“ der Teiglaibe wurde mit diesem die heiße Backfläche des Backofens von Glut und
     Asche gesäubert. Am Abend wurde der Backtrog in der Stube neben dem Kachelofen aufgestellt,
     mit  der  „Trogscher“  (Eisenscherer  mit  Holzgriff)  und  mit  dem  „Flederwisch“  (einem
     getrockneten  Enten-  oder  Hühnerflügel)  gesäubert.  Dann  leerte  die  Mutter  zwei,  drei  Schaff
     „zweit’s  Mehl“  (roggenes  Brotmehl)  in  den  Trog.  Zu  Mittag  ...  wurde  „’s  Uara“,  „’s  Urhab“
     (Sauerteig  aus  Teigrest  vom  letzten  Backen)  ...  mit  etwas  Mehl  und  lauwarmem  Wasser  zum
     „Dampfl“ angerührt. Das gärende Dampfl bildete bald Blasen, wurde „groaßaugad“ (großäugig)
     und verbreitete einen säuerlichen Geruch (früher wurde ein brennender Kienspan an das Dampfl

     gehalten;  erlosch  die  Flamme,  war  das  Dampfl  richtig).  Nach  der  „Wegarbeit“  (Stallarbeit)
     begann meine Mutter abends das „Uarasetzn“: das Dampfl wurde mit dem Mehl lose im Backtrog
     vermischt und mit lauwarmem Wasser und Milch vermengt. Dann kam der Deckel darauf – im
     Winter  war  das  der  bevorzugte  Aufenthaltsplatz  von  uns  Kindern:  im  Buckel  den  warmen
     Kachelofen, in der Nase den säuerlichen Teiggeruch, im Backrohr „blasate“ Äpfel (Bratäpfel)
     und im Ohr eine lustige „G’schicht, die net habt und net bricht“, von der Mutter erzählt, der Vater
     eine  Pfeife  schmauchend  –  das  war  Glück,  Heimat,  Wärme  und  Innigkeit,  das  war  unser
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