Page 29 - Brot backen - wie es nur noch wenige können
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Die Mühlen wurden regelmäßig von Außenstehenden kontrolliert, dabei ging es um den
technischen Zustand, Sauberkeit und Überprüfung des Eichmaßes – trotzdem, das Misstrauen der
Bauern blieb. Sie konnten nie sicher sein, ob der Müller mehr Getreide nahm, als ihm zustand oder ob
er das Mehl mit Sand streckte. „In der Mühle ist das Beste, dass die Säcke stumm sind“, sagt ein
Sprichwort. „Die Völker des Mittelalters waren überzeugt, dass jeder Müller stahl. Jeder – ohne
Ausnahme!“, schreibt Heinrich Eduard Jacob. Zudem fungierte der Müller noch als Spitzel, er
kontrollierte, ob die Bauern ihr Mehl nicht heimlich selbst mahlten.
ES GING DIE MÜHLE
Peter Rosegger, „Als ich noch der Waldbauernbub war“
In unserem Haus ist der Vater selbst der Mühlesel gewesen. Und so stieg er eines Tages, den
Kornsack auf der Achsel, nieder in den Schierlinggraben. ... Als wir vor (der Mühle) standen,
zog mein Vater einen hölzernen Schlüssel aus dem Sack, sperrte die graue, niedrige Tür auf, und
wir standen jetzt in der finsteren Mühle, in welcher uns nur der staubige Mehlkasten und über
demselben das Steingehäus und die Aufschüttmulde matt entgegenblickten. Wir stiegen über
sechs oder acht Stufen empor zum Schüttboden; an die braune, spinnwebige Wand desselben
waren mehrere Heiligenbilder geklebt, eine Art Hausaltar, an dem auch ein grünes
Weihbrunngefäßchen gängelte. Mein Vater besprengte mich damit; dann leerte er seinen
Kornsack in die Schüttmühle und guckte noch ein wenig durch ein Fensterchen auf das stetig
rauschende Wasserfloß hinaus zwischen den Fugen in die Radstube hinab, aus welcher erst eine
rechte Finsternis hervorglotzte. Und als er sah, dass alles in Ordnung war, tauchte er mit beiden
Händen eine aus der Wand stehende Stange nieder. Da wurde es lebendig. Zuerst hörte ich einen
einzelnen Klapper, bald einen zweiten, dritten; der Boden hub sachte an zu dröhnen, zu schütteln;
das Klappern wurde schneller und schneller und kam endlich in ein gleichmäßiges Rollen und
Klirren und Schrillen. Es ging die Mühle.
Kein Wunder, dass das Ansehen der Müller im Mittelalter denkbar schlecht war. Wie Abdecker,
Henker, Bader – um nur einige zu nennen, denen die Gesellschaft ihre Verachtung zuteil werden ließ –
gehörten auch die Müller zu den „unehrlichen Leuten“. Diese „Müllerrüchigkeit“ führte dazu, dass sie
unter sich blieben. Sie konnten weder einen anderen Beruf ergreifen, noch in einen anderen
Berufsstand einheiraten. Während sich die „ehrlichen Leute“ in Zünften organisierten, blieb den
Müllern dieses Recht bis ins 16. Jahrhundert hinein verwehrt.
Zum negativen Bild vom Müller mag auch beigetragen haben, dass der Ort, an dem er lebte und
arbeitete, den Menschen unheimlich war. Mühlen lagen außerhalb der Ortschaften, in dunklen Tälern,
sie klapperten und ratterten, da lag der Verdacht nahe, dass der Teufel hier seine Hand im Spiel hatte.
In Sagen und Märchen sind Müller reich, aber geizig, in der Literatur dienen Mühlen als Schauplätze
unheimlichen und oft grauenvollen Geschehens – man denke nur an Otfried Preußlers „Krabat“.
Die Romantisierung des Berufs setzte Anfang des 19. Jahrhunderts ein, bekannte Beispiele der
Verklärung liefern Lieder wie „Das Wandern ist des Müllers Lust“ und „Es klappert die Mühle am
rauschenden Bach“. Diese Sicht aufs fröhliche Müllerleben ging freilich vom städtischen Bürgertum
aus, in den abgelegenen alpinen Regionen blieben die alten Ängste erhalten, wie Peter Roseggers Text
aus „Als ich noch der Waldbauernbub war“ beweist.
„Nicht gar weit vom Hause, zwischen und unterhalb von Waldrainen und Wiesenlehnen, ist eine